Nichtzahlung des Hausgelds u. Bindungswirkung von Beschlüssen des Verwaltungsbeirats von RA. Fritsch


OLG Hamm, Beschl. v. 19.3.2007 – 15 W 340/06

Der Fall:

Die Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentumsanlage räumt den Mitgliedern des Beirats weitgehende Rechte ein. So ist es u.a. vorgesehen, dass die Mitglieder des Verwaltungsbeirats mit Stimmenmehrheit über die Geltung des vom Verwalter aufgestellten Wirtschaftsplanes beschließen.
Wohnungseigentümer E weigert sich, das Hausgeld gemäß Wirtschaftsplan zu be-zahlen, da er (zutreffenderweise) moniert, dass die im Wirtschaftsplan verwendeten Kostenverteilungsschlüssel nicht den Vorgaben der Gemeinschaftsordnung entspre-chen. Daraufhin wird Wohnungseigentümer E auf Zahlung des Hausgeldes verklagt.

Das Problem:

Viele Wohnungseigentümer begehen den Fehler, wegen tatsächlicher oder vermeint-licher Mängel der Beschlussfassung, fehlerhafter Verwaltungsmaßnahmen oder we-gen tatsächlicher oder vermeintlicher Gegenforderungen die Zahlung des Hausgeld einzustellen.
Dabei steht die herrschende Meinung in der juristischen Literatur sowie die ständige Rechtsprechung auf dem klaren Standpunkt, dass die Geltendmachung eines Zu-rückbehaltungsrechts oder eine Aufrechnung mit dem Hausgeld gemäß Wirtschafts-plans grundsätzlich nicht zulässig ist. Eine Ausnahme gilt nur für anerkannte, rechts-kräftig festgestellte oder Forderungen aus Notgeschäftsführung gem. § 21 Abs. 2 WEG. Anderenfalls, so die Gerichte, könnte praktisch jeder Wohnungseigentümer sich auf eingebildete oder tatsächliche Gegenrechte berufen und die Wohnungsei-gentümergemeinschaft würde zahlungsunfähig.
Der von OLG Hamm zu entscheidende Fall weist jedoch die Besonderheit auf, dass nicht, wie gesetzlich vorgesehen (§ 28 WEG) die Eigentümerversammlung, sondern der Verwaltungsbeirat über den Wirtschaftsplan beschließt und die daraus resultie-renden Beitragsforderungen fällig stellt. Dies ist nach der herrschenden Meinung in-des als Vereinbarung der Wohnungseigentümer im Rahmen der Gemeinschaftsord-nung zulässig. 
Insofern hätte der Wohnungseigentümer E den Prozess eigentlich umgehend verlieren müssen.

Die Entscheidung des OLG Hamm:

Das OLG Hamm weist indes die Klage ab. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass der Wohnungseigentümer E keinerlei Rechtsschutz gegen die Entscheidung des Bei-rats über die Genehmigung des Wirtschaftsplanes in Anspruch nehmen konnte.
Da nicht die Eigentümerversammlung, sondern der Beirat den Wirtschaftsplan be-schlossen hatte, sei die Erhebung der Anfechtungsklage gem. §§ 43, 46 Abs. 1 WEG nicht möglich gewesen.

Hieraus folgert das OLG Hamm zu Recht, dass im Zahlungsverfahren zu prüfen sei, ob der „Beschluss“ des Beirats rechtmäßig sei. Dies ist im vorliegenden Fall zu ver-neinen gewesen, da der Beirat sich (ohne entsprechenden Beschluss der Eigentü-merversammlung über eine Änderung der Kostenverteilungsschlüssel gem. § 16 Abs. 3 WEG) über die Regelungen der Gemeinschaftsordnung hinwegsetzte.
Mangels Anfechtungsmöglichkeit handelt es sich bei einem Beiratsbeschluss auch nicht um einen Eigentümerbeschluss, der gem. § 23 Abs. 4 S. 3 WEG auch dann, wenn er rechtswidrig ist, solange wirksam ist, wie er nicht gerichtlich für ungültig er-klärt wird.

Daraus folgert nach zutreffender Auffassung das OLG Hamm, dass ein Beiratsbeschluss, der gegen die Regelungen der Gemeinschaftsordnung sowie des WEG ver-stößt, ohne gerichtliche Anfechtung nichtig ist.

Der verklagte Wohnungseigentümer E kann somit ausnahmsweise dem aus dem Wirtschaftsplan geltend gemachten Zahlungsanspruch erfolgreich den Einwand der Nichtigkeit des Beiratsbeschlusses entgegenhalten und gewinnt den Prozess.

Mein Kommentar:

Eine Entscheidung, deren Bedeutung für die Tätigkeit des Beirats nicht unterschätzt werden sollte. Relativ häufig ist nämlich zu beobachten, dass Verwaltungsbeiräte sich mehr Rechte anmaßen, als ihnen nach Gesetz oder Gemeinschaftsordnung zu-stehen. Oftmals übertragen Wohnungseigentümergemeinschaften aber auch be-wusst Kompetenzen auf die Mitglieder des Verwaltungsbeirats, die über die Rege-lungsbefugnis des Beirats hinausgehen.
In beiden Fällen sollte sich der Beirat bewusst sein, dass ein nicht unerhebliches rechtliches und prozessuales Risiko besteht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die im Kreise des Beirats getroffenen Regelungen rechtswidrig und (nach OLG Hamm) sogar nicht sind.
Besonders heikel wird die Lage dann, wenn kostenauslösende Maßnahmen bereits durchgeführt sind und sich später die Nichtigkeit des Beschluss ergibt.
Quelle: Rüdiger Fritsch: Rechtsanwalt, zugl. Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht –
www.krall-kalkum.de