Ist ein Austausch von Fenstern auf eigne Kosten möglich?

Leserbrief

 

Ist ein Austausch von Fenstern auf eigne Kosten möglich?

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat der Großteil der Eigentümer/innen die Fenster auf eigene Kosten ausgestauscht, obwohl dies Gemeinschaftseigentum ist.

Die Gemeinschaft möchte nunmehr einen Beschluss fassen, wonach zukünftig die Aufträge zur Erneuerung von Fenstern durch die Verwaltung erfolgt und die Kosten dem betroffenen Eigentümer auferlegt werden.

Nunmehr die Frage:

Kann die Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 16, Absatz 4 WEG mit doppelt qualifizierter Mehrheit einen solchen Beschluss fassen? Liegt ein Gerichtsurteil für einen vergleichbaren Fall vor?

 

Mit freundlichen Grüßen

gez. D.

 

Antwort von RA. Fritsch:

Als beratendes Mitglied des BVI nehme ich zu Ihrer Anfrage wie folgt Stellung:

 

Die von den Wohnungseigentümern gewünschte Regelung ist nur durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer gem. § 10 Abs. 2, 3 WEG zu erzielen (Zustimmung sämtlicher Eigentümer, not. Beurkundung sowie Eintragung in sämtlichen Grundbüchern nebst Zustimmung der Grundpfandrechtsgläubiger).

Es ist darauf hinzuweisen, dass auf der Grundlage der Beschlusskompetenz des § 16 Abs. 4 WEG laut dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Norm nur eine Regelung im konkreten Einzelfall getroffen werden kann, eine generelle vom Gesetz oder der Gemeinschaftsordnung abweichende Regelung ist gemäß der bisherigen Rechtslage nichtig (vgl.: BGH, Urt. v. 25.9.2009 – V ZR 33/09, NZM 2009, 867; BGH, Urt. v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, IMR 2010, 381 = NZM 2010, 622).

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Rüdiger Fritsch
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht

Web: www.krall-kalkum.de

 

Nunmehr eine weitere Frage zu diesem Thema:

Kann die Eigentümergemeinschaft einen Beschluss nur für den Einzelfall fassen, dass ein Wohnungseigentümer ein defektes Fenster auf seine Kosten austauschen lässt mit z.B. mit folgendem Wortlaut:

 

Die Wohnungseigentümer genehmigen der Eigentümerin ……………………………………(Wohnung Nr. …… ) den fachgerechten Einbau des defekten Holzfensters mit Isolierverglasung (im Wohnzimmer zur Straßenseite gelegen) auf eigene Kosten.

 

Antwort von RA. Fritsch:

Als beratendes Mitglied des BVI nehme ich zu Ihrer Anfrage wie folgt Stellung:

 

Ein Einzelfallbeschluss dergestalt, dass dem einzelnen Wohnungseigentümer durch doppelt-qualifizierten Mehrheitbeschluss gem. § 16 Abs. 4 WEG die Kosten für die Instandsetzung des im Bereich seines Sondereigentums gelegenen Fensterelements auferlegt werden, ist nach dem Wortlaut der genannten Bestimmung durchaus denkbar.

 

Allerdings ist zum derzeitigen Zeitpunkt von einer solchen Beschlussfassung abzuraten, da nach derzeitiger Rechtsprechung und Rechtslehre ungeklärt ist, ob ein solcher Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht oder schlicht rechtswidrig ist, also im Falle der Beschlussanfechtung der Ungültigerklärung unterliegt.

 

Gegen eine oben beschriebene Beschlussfassung sprechen derzeit die folgenden zwei Gesichtspunkte, wobei (wie oben gesagt) die Rechtslage noch ungeklärt ist:

 

1. Fenster, auch solche, die Bereich des Sondereigentums gelegen sind, bilden zwingend einen Bestandteil des gemeinschaftlichen Eigentums.

Soweit § 16 Abs. 4 WEG seinem Wortlaut nach eine abweichende Kostentragungsregelung mit doppelt-qualifiziertem Mehrheitsbeschluss zulässt, soweit der Kostenverteilungsschlüssel dem Gebrauch bzw. der Möglichkeit des Gebrauchs Rechnung trägt, ist unklar, ob in Ansehung eines zwingenden Bestandteils des Gemeinschaftseigentums ein solch exklusiver Gebrauchsvorteil tatsächlich anzuerkennen sein kann.

Der BGH hat dies in seiner Entscheidung v. 18.6.2011 (V ZR 164/09, NZM 2010, 584) zwar offen gelassen, dies indes für Bestandteile der Fassade bzw. Dächer verneint.

 

2.Der BGH hat weiter in seiner o.g. Entscheidung ausgeführt, dass ein derartiger Einzelfallbeschluss zu einer Selbstbindung der Gemeinschaft für zukünftige gleichgelagerte Fälle führen kann, wodurch sich eine Abänderung des Kostenverteilungsschlüssels für die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums auch für zukünftige Fälle ergeben kann. In einem solchen Fall bewirke aber die Beschlussfassung i.S.d. § 16 Abs. 4 WEG nicht mehr eine einmalige Änderung des Verteilerschlüssels, sondern sei auf eine dauerhafte Änderung ausgelegt, was der Wortlaut des § 16 Abs. 4 WEG („Einzelfall“) nicht mehr umfasse. Ein entsprechender Beschluss sei daher rechtswidrig. Im Falle einer ausbleibenden Anfechtung könne der Beschluss allerdings bestandskräftig werden.

 

Aus den o.g. Gründen ist von derartigen Beschlussfassungen derzeit aus Gründen der fehlenden Rechtssicherheit abzuraten.


Ich hoffe mit meinen Ausführungen gedient zu haben.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Rüdiger Fritsch
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht

Web: www.krall-kalkum.de