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von Ralf Schulze Steinen | 28.05.2012
Der Fall:
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft wird bestandskräftiger Beschluss dahingehend gefasst, dass die (winterliche) Räum- und Streupflicht turnusmäßig durch die einzelnen Wohnungseigentümer selbst zu erfüllen ist. Dem entgegen beantragt einer der Wohnungseigentümer vor dem zuständigen Wohnungseigentumsgericht nach Jahren, die übrigen Wohnungseigentümer zu verpflichten, der Vergabe des Winterdienstes an eine Fachfirma zuzustimmen.
Die beklagten Wohnungseigentümer wenden u.a. ein, diesem Verlangen stehe der bestandskräftige Beschluss entgegen.
Das Amtsgericht Freiburg ist gleicher Meinung und weist die Klage ab.
Dem entgegen stellt das Landgericht Karlsruhe als zentrales Berufungsgericht fest, dass es zu einer Verpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer dahingehend, den Winterdienst turnusmäßig selbst zu erledigen, an der erforderlichen Beschlusskompetenz fehle. Deshalb sei der in der Vergangenheit gefasste Beschluss nichtig und entfalte keinerlei Wirkung.
Das Landgericht Karlsruhe verurteilt daher die beklagten übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 4 WEG zur Zustimmung.
Das Problem:
Es geht um eine in der wohnungseigentumsrechtlichen Instanzrechtsprechung und Literatur seit längerem und bis heute umstrittene Frage:
Können die einzelnen Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümerversammlung dazu verpflichtet werden, bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums aktiv mitzuwirken (sog. tätige Mithilfe), etwa derart, dass durch (unangefochtenen) Mehrheitsbeschluss eine Verpflichtung zur turnusmäßigen Räum- und Streupflicht oder zur Durchführung der Treppenhausreinigung begründet wird?
Die Entscheidung:
Mit Urteil vom 09.03.2012, Az. V ZR 161/11 hat der Bundesgerichtshof (BGH) bezogen auf die Räum- und Streupflicht entschieden, dass eine Pflicht der einzelnen Wohnungseigentümer dahingehend, diese im Wechsel zu erfüllen, mangels Beschlusskompetenz nicht durch Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch Vereinbarung begründet werden könne.
Ein gleichwohl gefasster Mehrheitsbeschluss sei nichtig. Ein nichtiger Beschluss entfalte keinerlei Rechts-, Bindungs- oder Sperrwirkung.
Denn:
Die Mehrheitsherrschaft innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft bedürfe der Legitimation durch eine Kompetenzzuweisung, die sich entweder aus dem Gesetz oder aus einer Vereinbarung ergeben könne. Auch soweit eine Angelegenheit gemäß den §§ 15, 21 oder 22 WEG der Regelung durch Mehrheitsbeschluss zugänglich sei, umfasse dies nicht die Befugnis, dem einzelnen Wohnungseigentümer außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten Leistungspflichten aufzuerlegen.
Fehle die Beschlusskompetenz, sei ein dennoch gefasster Beschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig, was sich aus der sog. Jahrhundertentscheidung des BGH, Urteil vom 20.09.2000. V ZR 58/99 = NJW 2000, S. 3500, ergebe. Dies sei auch vorliegend der Fall.
Der Kommentar:
Der Entscheidung ist unserer Rechtsauffassung nach zuzustimmen.
Leider befasst sie sich – wie so oft – nur mit einem Teil des Rechtsproblems.
Durch den BGH ausdrücklich unbeantwortet bleibt wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit die Frage, wie bezüglich derjenigen Arbeiten zu entscheiden ist, die „typischerweise“ in der Hausordnung geregelt sind, z. B. Treppenhausreinigung.
Diesbezüglich entschied in jüngster Vergangenheit das LG München I, ZMR 2010. S. 991, dass eine Beschlusskompetenz zur Verpflichtung der Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 1 WEG bestehe.
Unserer Rechtsauffassung nach ist die Entscheidung des BGH indes auf alle anderen Fälle der tätigen Mithilfe übertragbar.
Denn die Wohnungseigentümer sind grundsätzlich nur dazu verpflichtet, sich kapitalmäßig an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen, §§ 16 Abs. 2, 28 WEG. Nur insoweit besteht Beschlusskompetenz zur Anspruchsbegründung. Eine darüber hinaus gehende Begründung von Leistungspflichten ist durch Beschluss nicht möglich, BGH Urteil vom 18.06.2010, Az. V ZR 193/09.
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