Schimmelbefall in der Wohnung: 80 % Mietminderung!

 

von Ralf Schulze Steinen | 09.08.2018

Schimmelbefall in der Wohnung: 80 % Mietminderung!

 

1. Schimmelbefall in allen Zimmern einer Wohnung rechtfertigt eine Mietminderung von 80 %.

2. Eine auf Schimmelbefall gestützte fristlose Kündigung kommt erst bei dann in Betracht, wenn die Gefahr einer Gesundheitsgefährdung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs ernsthaft in Betracht gezogen werden kann.

 

Dies hat das AG Bergisch-Gladbach, Urteil vom 15.02.2018, Az. 60 C 436/15 entschieden.

 

DER FALL:

 

In der Wohnung der klagenden Mieter war Schimmelbefall in allen Räumenaufgetreten.

Mehrfach forderten die Mieter die beklagte Vermieterin zur Schimmelbeseitigung vergeblich auf. 

Mit der Begründung, der Schimmelbefall beeinträchtige Ihre Gesundheit, kündigtendie Mieter das Wohnraummietverhältnis dann fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Ihre Mietzahlungen stellten die Mieter ein.

Von der Vermieterin verlangten die Mieter den Ersatz der ihnen durch den Schimmelbefall entstandenen Schäden, u.a. an diversen Einrichtungsgegenständen.

Die Vermieterin trat der Klage entgegen.

Außerdem erklärte sie die Aufrechnung mit Ansprüchen ihrerseits auf Zahlung rückständiger Mieten.

Zu Recht?

 

DIE ENTSCHEIDUNG:

 

Ja und nein – das AG Bergisch-Gladbach gibt der Klage nur teilweise statt.

1.

Wegen Schimmelbefall bestünden Schadensersatzansprüche der Kläger gegen die Beklagte.

Der Schimmelbefall stelle einen Mietmangel i. S. v. § 536 BGB dar, weshalb sich Schadensersatzansprüche aus § 536 a BGB ergäben.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe nicht nur der Schimmelbefall fest, sondern auch, dass ein mitursächliches (Fehl-) Verhalten der Kläger nicht feststellbar sei.

Die Kläger könnten daher Schadensersatz verlangen, u.a. wegen der Beschädigung von Möbeln und anderen Gegenständen.

2.

Allerdings stünden der Beklagten aufrechenbare Gegenansprüche zur Seite, namentlich auf Zahlung rückständiger Mieten.

a.

Die fristlose Kündigung der Mieter sei zu Unrecht erfolgt.

Denn es sei nicht nachgewiesen, dass die hierfür erforderliche Gefahr einer Gesundheitsgefährdung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs ernsthaft hätte in Betracht gezogen werden können.

Deshalb habe lediglich die fristgerechte Kündigung das Wohnraummietverhältnis beendet, weshalb die Kläger grundsätzlich zur Mietzahlung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verpflichtet seien.

b.

Vollständige Mietzahlung könne die Klägerin aber nicht verlangen, mithin auch nicht in voller Miethöhe aufrechnen.

Denn der Schimmelbefall, der in allen Räumen festgestellt worden sei, rechtfertige eine Mietminderung i. H. v. 80 %.

 

PRAXISHINWEIS:

 

1.
Entweder waren die Mieter schlecht vertreten, oder das Amtsgericht hat unsauber die Rechtslage geprüft – oder beides.
 
Wird die fristlose Kündigung auf eine Gesundheitsgefährdung gestützt, muss diese der Mieter darlegen und beweisen, was – wie der entschiedene Fall und die Praxis im Übrigen zeigen – schwierig ist.
 
Bei  – wie hier – erheblichem Schimmelbefall kommt es aber letztlich nicht darauf an, ob die die Gefahr einer Gesundheitsgefährdung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs ernsthaft in Betracht gezogen werden kann oder nicht. 
 
Denn beseitigt der Vermieter einen Mietmangel trotz vorheriger Aufforderung durch den Mieter nicht, dann entzieht er letzterem den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache.
 
Das Recht des Mieters zur fristlosen Kündigung ergibt sich dann aus § 543 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt. BGB.
 
Die hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden – siehe: BGH, Urteil vom 13.06.2007 – VIII ZR 281/06
 
Dieser Kündigungsgrund ist leicht darzulegen und zu beweisen. Auf eine Gesundheitsgefahr kommt es nicht an.
 
Das haben Mieteranwalt und Amtsgericht offensichtlich verkannt – zu Lasten der Mieter.
 
2.
Vorsicht vor Mietminderungstabellen und/oder Einzelfallentscheidungen!
 
Jeder Fall ist anders und gesondert zu prüfen, insbesondere wenn es um die Frage der Höhe einer angemessenen Mietminderung geht.
 
Man sollte sich also tunlichst davor hüten, den einen Fall ungeprüft auf den anderen zu übertragen in puncto Mietminderung.
 
Denn mindert man übermäßig, entsteht Zahlungsverzug.