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von Ralf Schulze Steinen | 31.01.2017
Der Fall:
Die klagende Mieterin und die beklagte Vermieterin waren durch einen Wohnraummietvertrag verbunden. Nach Einzug einer Familie mit Kindern in der oberhalb gelegenen Wohnung fühlte sich die Mieterin durch Kinderlärm, u.a. Stampfen, Springen, Poltern, Schreien und lautstarke aggressive familiäre Auseinandersetzungen, gestört.
Klageweise begehrte sie die Beseitigung der Störungen, die Rückzahlung vorbehaltlich gezahlter Mieter sowie die Feststellung ihrer Mietminderungsberechtigung für die Zukunft. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der Kinderlärm sei durch die Mieterin folgenlos hinzunehmen.
Zu Recht?
Ja – das LG Berlin bestätigt die Entscheidung der Vorinstanz und weist die Berufung der Mieterin zurück.
1.
Die Mieterin könne von der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen, dass der Kinderlärm beseitigt werde. Entsprechendes gelte für die Feststellung der Mietminderungsberechtigung für die Zukunft und die Rückzahlung vermeintlich zu viel gezahlter Mieten.
Voraussetzung hierfür sei nämlich, dass die Wohnung der Mieterin mit einem Mietmangel behaftet sei, der deren Tauglichkeit für den vereinbarten Zweck, nämlich das Wohnen, in nicht nur unerheblichem Maße beeinträchtige.
2.
Ein nicht nur unerheblicher Mietmangel liege indes nicht vor.
Insbesondere überschreite der von der Klägerin selbst in ihrer Wohnung wahrnehmbare Kinderlärm bzw. die „Geräusch- und Erschütterungskulisse“ aus bzw. in der oberhalb gelegenen Wohnung nicht das normale Maß des in einer Mietwohnung sozial Zumutbaren.
a.
Gemäß § 536 Abs. 1 BGB sei die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweise, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebe oder (erheblich) mindere oder wenn ein solcher Mangel während der Mietzeit entstehe.
Ein derartiger Mangel sei dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand nachteilig abweiche. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimme sich dabei in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden könnten.
Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung könnten dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt sei.
Soweit allerdings Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlten, werde der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt.
b.
Grundsätzlich sei hier festzustellen, dass der Mieterin bereits bei ihrem Einzug in die streitgegenständliche Wohnung bekannt sein musste, dass es sich bei den anderen im Haus befindlichen 7 Wohnungen zumindest zum Teil um größere Wohnungen mit mehreren Zimmern handle, wie es ihre eigene 3 ½ -Zimmer-Wohnung auch sei.
In Wohnungen dieser Größe und Anzahl der Zimmer zögen in der Regel nicht alleinstehende Personen, sondern gerade auch Familien mit Kindern ein, weshalb mit Kinderlärm von Anfang an zu rechnen gewesen sei.
Der von der Mieterin beanstandete Kinderlärm sei natürlich.
Kinder im Kleinkindalter seien nicht wie Erwachsene zu einer differenzierten verbalen Auseinandersetzung und zu einer leisen Art der Fortbewegung fähig.
Rennen und festes Auftreten stelle bei Kleinkindern die normale Fortbewegungsart dar, auch wenn dies von der Mieterin als Poltern und Stampfen empfunden werde. Gleichfalls entspreche es dem natürlichen Bewegungsdrang von Kindern, Wege mehrfach „abzulaufen“, die ein Erwachsener nur einmal zurücklege.
Durch diese natürlich angelegten, ständigen Wiederholungen würden sich Kinder überhaupt erst die Voraussetzung zu einer differenzierten Bewegungsfähigkeit schaffen. Dies sei von Mitmietern als ein Schritt der natürlichen Entwicklung von Kindern hinzunehmen und entspreche normaler Wohnnutzung.
Soweit die Mieterin außerdem Schreien und Brüllen von Kindern beanstande, entspräche auch das dem vertraglich vorausgesetzten Zustand.
Kleinkinder seien naturgemäß nicht dazu in der Lage, ihren Unmut und Unbehagen differenziert auszudrücken und würden sich deshalb akustischer Äußerungen bedienen, die von anderen Personen als Schreien und Brüllen wahrgenommen würden. Auch diese akustischen Einwirkungen würden jedoch das normale Maß einer Wohnnutzung durch kleine Kinder darstellen.
Fazit:
1.
Die Entscheidung liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung zum Thema „Kinderlärm“. Siehe zu diesem Thema auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 22 Abs. 1 a BImschG.
2.
Die der Entscheidung erfreulicherweise zu entnehmende, kinderlärmfreundliche Tendenz gilt aber keinesfalls ausnahmslos.
Auch Eltern unterliegen nämlich dem mietrechtlichen Rücksichtnahmegebot und müssen ggfs. erzieherisch auf ihre Kinder einwirken, um übermäßige Beeinträchtigungen der Nachbarn zu vermeiden. In Ruhezeiten ist Kinderlärm außerdem zu vermeiden.
Durch Kinderlärm gestörte Nachbarn sind also keineswegs rechtelos. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an
Haben Sie hierzu Fragen?
Dann sprechen Sie bitte unseren Partner Ralf Schulze Steinen, Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht an!
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