Zum Abschluss eines Verwaltervertrages von RA. Greiner. Abhandlung über das Zustandekommen eines Verwaltervertrags durch Beschluss der Wohnungseigentümer-
gemeinschaft

 

Dr. David Greiner

Zum Abschluss des Verwaltervertrags

Abhandlung über das Zustandekommen eines Verwaltervertrags durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft

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I. Einleitung

Der Beschluss über die Bestellung eines Verwalters und den Abschluss eines Verwaltervertrags

wird seit jeher häufig uno actu gefasst mit dem Wortlaut: „X [der Bewerber] wird auf der

Grundlage des von ihm vorgelegten Vertragsangebots vom … zum Verwalter bestellt“. Oder es

wird im Anschluss an die Bestellung der Beschluss gefasst: „Die Bestellung erfolgt auf der

Grundlage des von X vorgelegten Vertrags“. Vor allem bei der Wiederwahl des bislang amtierenden

Verwalters sind auch Beschlüsse nach Art der „Wiederwahl zu den bisherigen Konditionen“

oder der „Verlängerung des Verwaltervertrags bis zum …“ gebräuchlich. Bis vor kurzem

war unstreitig, dass der Beschluss der Gemeinschaft

1 dabei jeweils die Willenserklärung beinhaltet,

das Angebot des Verwalters anzunehmen.

2 Dann kommt der Verwaltervertrag zustande, sobald

die Annahmeerklärung dem anbietenden Verwalterkandidaten zugeht (§ 130 BGB). Ist er

bei der Beschlussverkündung anwesend, ist der Vertrag sofort vollendet,

3 ansonsten muss die

Annahmeerklärung dem Kandidaten anderweitig zugehen, was insbesondere bei der Übermittlung

durch einen Boten der Fall ist.

Jacoby hat dagegen in dieser Zeitschrift kürzlich eingewandt,

die Gemeinschaft könne nicht durch bloßen Beschluss das Angebot des Verwalters auf Abschluss

eines Verwaltervertrags annehmen, der Beschluss betreffe nämlich nur die innere Willensbildung

der Gemeinschaft.

4 Die im Außenverhältnis zum Vertragsschluss erforderliche Willenserklärung

müsse entweder von allen Wohnungseigentümern oder von einer hierzu besonders

ermächtigten Person abgegeben werden. Der Beschluss der Gemeinschaft über die Annahme

des Vertragsangebots des Verwalters müsse demnach dahingehend ergänzt werden, dass

eine bestimmte Person zum Abschluss des Verwaltervertrags ermächtigt werde; anderenfalls

fehle es an einem (wirksamen) Verwaltervertrag. Wäre diese Auffassung richtig, müssten Verwalter

und Rechtsanwälte erheblich umdenken; unübersehbar viele Verwalterverträge, die „nur“

durch Beschluss der Gemeinschaft angenommen wurden, wären mangels wirksamen Vertrags-

schlusses nichtig. Die Auffassung überzeugt jedoch nicht.

 

II. Willensbildung und Vertretung im Verbandsrecht

1. Notwendigkeit der Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft?

Jacoby

führt aus, die Gemeinschaft müsse beim Abschluss des Vertrags gem. § 164 BGB vertreten

werden.

5 Gem. § 27 Abs. 3 Satz 2 WEG seien zur Vertretung der Gemeinschaft alle Wohnungseigentümer

gemeinschaftlich berufen; der Vertrag komme in diesem Falle zustande, wenn

alle Wohnungseigentümer ihn unterschreiben oder mündlich die Annahme des Vertragsangebots

erklären. Die Wohnungseigentümer könnten gem. § 27 Abs. 3 Satz 3 WEG aber auch

durch Mehrheitsbeschluss einen der Miteigentümer zur Vertretung ermächtigen.

Die Gemeinschaft muss beim Vertragsabschluss aber nicht zwingend „vertreten“ werden. Ihre

(rechtsgeschäftliche) Vertretung ist nur dann erforderlich, wenn sich der Beschluss in der internen

Willensbildung erschöpft und noch einer konkretisierenden Umsetzung bedarf.

Beispiel: Die Gemeinschaft beschließt, für Kosten bis max. 300,00 € die Haustüre neu streichen

zu lassen. Die Umsetzung dieses Beschlusses ist dann Sache des Verwalters (§ 27 Abs. 1 Nr. 1

WEG). Es ist seine Aufgabe, einen geeigneten Unternehmer zu suchen und ihn im Namen der

Gemeinschaft zu beauftragen, wozu er aufgrund der Beschlussfassung zumindest konkludent

bevollmächtigt ist (§ 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG). Selbstverständlich könnte die Gemeinschaft auch

statt des Verwalters einen der Miteigentümer mit dem Vertragsabschluss beauftragen und bevollmächtigen.

Wer auch immer die Gemeinschaft beim Vertragsabschluss vertritt (sei es der

Verwalter oder ein Miteigentümer), entscheidet selber, welchen Unternehmer er zu welchen

Konditionen beauftragen will und gibt dann beim Abschluss des Vertrags eine

eigene Willenserklärung

ab, die aufgrund seiner Vollmacht für und gegen die Gemeinschaft wirkt (§ 164 BGB).

Anders ist es, wenn die Willensbildung der Gemeinschaft den Abschluss eines konkreten Vertrags

zum Gegenstand hat. Es besteht dann kein Bedürfnis und kein Raum mehr für einen Vertreter,

der in Vertretung der Gemeinschaft einen eigenen Willen bildet. Das Ergebnis der Beschlussfassung

ist bereits die zum Vertragsabschluss führende Willenserklärung der Gemeinschaft;

die Abgabe dieser Erklärung ist das Ziel der (per Mehrheitsbeschluss zustande gekommenen)

Willensbildung der Gemeinschaft.

Beispiel: Die Gemeinschaft beschließt, das konkret vorliegende Angebot eines Malers für das

Streichen der Haustür anzunehmen. Es bedarf keines Vertreters mehr, um eine entsprechende

Willenserklärung abzugeben; die Gemeinschaft hat bereits erklärt, das Angebot annehmen zu

wollen. Diese Erklärung muss dem Maler nur noch zugehen. Ist er bei der Beschlussfassung

nicht anwesend, muss sie ihm anderweitig zugehen (§ 130 Abs. 1 BGB).

Genauso verhält es sich, wenn die Gemeinschaft das konkrete Angebot eines Verwaltervertrags

annimmt. Die Behauptung, der entsprechende Beschluss betreffe lediglich die interne Willensbildung

(dergestalt, dass eine Verpflichtung mit dem Inhalt begründet werde, den gewünschten

Vertragsabschluss im Außenverhältnis zu vollziehen), ist unzutreffend. Dadurch würde dem

eindeutig zielgerichteten tatsächlichen Vorgang aus dogmatischen Gründen ein vom Willen der

Gemeinschaft abweichender Inhalt aufoktroyiert. Tatsächlich ist der Wille der Gemeinschaft

nämlich genau darauf gerichtet, das Angebot unmittelbar anzunehmen. Eines Vertreters zur

Abgabe der Willenserklärung bzw. zur Umsetzung des Willens der Gemeinschaft bedarf es

nicht.

2. Kann ein Verband überhaupt eine Willenserklärung abgeben?

a) Gegen die vorstehende Auffassung wird eingewandt, den Tatbestand einer Willenserklärung

könne nur das von einem (!) menschlichen Willen getragene Verhalten eines (!) Menschen erfüllen.

6

Dieser begriffliche Einwand greift indes zu kurz. Hier ist zwar nicht der Raum, auf die

Entwicklung des rechtlichen Terminus der „Willenserklärung“ einzugehen;

7 es bedarf aber auch

keiner näheren Begründung, dass der Begriff der „Willenserklärung“ am „Normalfall“ entwickelt

wurde, bei dem es um die rechtsgeschäftlichen Handlungen (einzelner) natürlicher Personen

geht. Daraus folgt nicht, dass juristische Personen oder allgemein Verbände keine Willenserklärung

abgeben könnten. Die Lösung des Problems lässt sich überhaupt nicht aus einer wie

auch immer gearteten Auffassung von der Willenserklärung finden.

8

Richtig ist nach diesseitigem Dafürhalten Folgendes: Die Willensbildung erfolgt bei der Wohnungseigentümergemeinschaft

durch die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung. Der

Beschluss kann den Inhalt haben, dass die Gemeinschaft eine Willenserklärung abgibt; in diesem

Fall werden durch die Beschlussfassung die Willenserklärungen der einzelnen Wohnungseigentümer

gebündelt. Das Ergebnis, der festgestellte und verkündete Beschluss, stellt die Willenserklärung

der Gemeinschaft dar

9 und bindet auch die nicht mit stimmenden oder die überstimmten

Wohnungseigentümer (§ 10 Abs. 5 WEG). Die Erklärung der Gemeinschaft ist vom

menschlichen Willen getragen; dass sie das Ergebnis eines vorangegangenen Willensbildungs-

prozesses ist, liegt in der Natur der Sache, nämlich dem Umstand, dass der Verband nicht nur

einen, sondern mehrere zur Willensbildung berufene Rechtsträger hat.

b) Im Grunde genommen geht es bei der Frage, ob ein Verband eine Willenserklärung abgeben

kann oder nicht, nicht um ein begriffliches (tatbestandliches) Problem der Willenserklärung,

sondern um eine grundlegende gesellschaftsrechtliche Frage, nämlich die nach der Rechtsnatur

von Verbänden. Hier stehen sich die Vertretertheorie und die Organtheorie gegenüber: Nach

der Vertretertheorie ist der Verband selbst nicht fähig zum Wollen und Handeln; das erledigen

Dritte, nämlich seine Vertreter. Nach der Organtheorie ist der Verband selbst mittels seiner Organe

Willens- und Handlungsträger. Verkürzt lässt sich zusammen fassen, dass die Organtheorie

sich durchgesetzt hat.

10 In ihrem Sinne ist es anerkannt, dass der Verband selber beim Vertragsschluss

eine Willenserklärung abgibt. Dahinter muss das begriffliche Postulat, eine Willenserklärung

müsse von einem (!) Menschen (!) stammen, zurücktreten bzw. modifiziert werden.

c)

Jacoby wendet des weiteren ein, dass die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff.

BGB) und die über die Willenserklärungen (§§ 116 ff. BGB) auf eine durch Mehrheitsbeschluss

gebildete Willenserklärung nicht passten. Es ist nicht zu bestreiten, dass diese Bestimmungen

jedenfalls nicht unmittelbar passen; sie sind ja für den „Normalfall“ konzipiert, die Abgabe der

Willenserklärung durch eine natürliche Person. Daraus folgt aber wiederum nicht, dass der Verband

keine Willenserklärung abgeben könne; vielmehr folgt daraus die Notwendigkeit herauszuarbeiten,

wie die Bestimmungen der §§ 104 ff. BGB und der §§ 116 ff. BGB auf den Sonderfall

der Willenserklärung eines Verbandes anzuwenden sind. Es ließe sich z.B. vertreten, dass

ein Verband eine von ihm abgegebene Willenserklärung nur dann wegen Irrtums anfechten

kann, wenn bei den Personen, deren Stimmen den Mehrheitsbeschluss tragen, ein zur Anfechtung

berechtigender Irrtum vorliegt, was der Verband ggf. beweisen müsste; hier ist aber nicht

der Raum, diesen Fragen näher nachzugehen.

3. Der Vergleich mit dem GmbH- und Aktienrecht

a) Strukturell entspricht die Bestellung bzw. die Anstellung des Verwalters durch die Wohnungseigentümergemeinschaft

der Bestellung und Anstellung eines Geschäftsführers bei der GmbH

oder der Bestellung/Anstellung eines Vorstandsmitglieds bei der AG. Im GmbH- und Aktienrecht

werden in diesem Zusammenhang dieselben Fragen nach dem Zustandekommen des Vertrags

und nach der Übermittlung der auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärung

des Verbandes gestellt. Auch wenn das gesellschaftsrechtliche Schrifttum und die einschlägige

Rechtsprechung in der dogmatischen „Unterfütterung“ nicht gerade eine klare und einhellige

Linie verfolgen, stützen doch die Ergebnisse die hier vertretene Auffassung.

b) Gem. § 46 Nr. 5 GmbHG unterliegt die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsfüh-

rern der Bestimmung der Gesellschafter.

Karsten Schmidt erläutert diese Regelung im Sinne der

h.M. wie folgt:

11„Die Bedeutung der Nr. 5 liegt nicht so sehr in der (im Grunde selbstverständlichen)

Willensbildungskompetenz der Gesellschafter. … Die Vertretung der Gesellschaft … bei

dem Abschluss des Anstellungsvertrags obliegt „den Gesellschaftern“ als Vertretern der

GmbH. … Erfolgt die Wahl in der Gegenwart des Ernannten, so genügt die Verkündung des

Abstimmungsergebnisses durch den Sitzungsvorsitzenden“. Wenn die Wahl in der Abwesenheit

des Gewählten erfolge, müsse ihm das Ergebnis „durch alle Gesellschafter oder einen von ihnen

Bevollmächtigten“ mitgeteilt werden.

c) Gem. § 112 AktG wird die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern durch den Aufsichtsrat

vertreten. Dieser – ein aus mehreren natürlichen Personen bestehendes Gremium – ist

somit zuständig, wenn es um den Abschluss oder die Kündigung der Anstellungsverträge der

Aktiengesellschaft mit ihren Vorstandsmitgliedern geht. Hat der Aufsichtsrat durch Beschlussfassung

seinen Willen abschließend gebildet („Vorstandsmitglied X wird angestellt/gekündigt“),

stellt sich – wie im Wohnungseigentumsrecht auch – die Frage nach der praktischen Umsetzung.

Nach einhelliger Meinung muss oder darf der Aufsichtsrat nicht mehr „im Willen vertreten“

werden

12. Daraus folgt zweierlei:

Zum einen wird die durch den Beschluss des Aufsichtsrats entstandene rechtsgeschäftliche Erklärung

(„Vorstandsmitglied X wird angestellt/gekündigt“) sofort und ohne weiteres wirksam,

wenn der Beschluss in Gegenwart der angestellten/gekündigten Person verkündet wird. Leider

wird dies – anders als im GmbH-Recht (s.o. Buchst. b) in der aktienrechtlichen Literatur so

nicht ausdrücklich bestätigt; vielmehr wird stets die Frage thematisiert, ob der Aufsichtsratsvorsitzende

für die „Kundgabe“ (oder Abgabe, Übermittlung o.ä.) der Willenserklärung an den Erklärungsempfänger

ohne weiteres zuständig sei.

13 Weil dies aber ganz überwiegend bejaht wird

(wie unten noch auszuführen ist), ist das Ergebnis dasselbe: Wenn der (dazu befugte) Aufsichtsratsvorsitzende

den (die „fertige“ Willenserklärung beinhaltenden) Beschluss des Aufsichtsrats

in Gegenwart des Erklärungsempfängers verkündet, ist diesem die Erklärung wirksam zugegangen.

Zum anderen ist es unbestritten, dass es sich dann, wenn der Beschluss in Abwesenheit der betroffenen

Person gefasst wurde und dieser Person erst noch übermittelt werden muss, bei der

Übermittlung nicht um Stellvertretung i.S.v. §§ 164 ff. BGB handelt; denn der Stellvertreter bildet

sich definitionsgemäß einen eigenen Willen, was bei Entscheidungen des Aufsichtsrats gera-

de nicht zulässig oder möglich ist.

14 Wie aber ist die Übermittlung dann einzuordnen und wer

ist dafür zuständig?

In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise die Figur des „Vertreters in der Erklärung“ herangezogen,

eine Art Mittelding zwischen Stellvertretung und Botenschaft,

15 die Literatur lehnt

diese Konstruktion nahezu einhellig ab.

16 Seinen Anwendungsbereich hat der „Erklärungsvertreter“

aber ohnehin nur in den Fällen, in denen der Beschluss des Aufsichtsrats nicht schon zugleich

selbst eine Willenserklärung darstellt; das wäre z.B. dann der Fall, wenn beschlossen würde:

„Mit X soll ein Anstellungsvertrag geschlossen werden“. Hier muss der im Beschluss niedergelegte

Wille des Aufsichtsrats noch im Außenverhältnis erklärt und ggf. ausgefüllt werden;

darum geht es vorliegend nicht.

Richtiger Ansicht nach und mit der überwiegenden Auffassung in der Literatur ist die Übermittlung

als Botenschaft anzusehen.

Bednarz führt zutreffend aus: „Stellt der Beschluss des Aufsichtsrats

zugleich die Willenserklärung selbst dar, so muss er dem betreffenden Vorstandsmitglied

nur noch übermittelt werden. Eine Erklärungsvertretung ist hier folglich nicht mehr notwendig.

Die Beschlussübermittlung ist ebenso wie jede anderweitige reine Überbringung einer

Willenserklärung ein bloßer Realakt“.

17

An diese Feststellung schließt sich die Frage an, ob an die Übermittlung der Willenserklärung

durch einen Boten besondere Anforderungen zu stellen bzw. wer dafür zuständig ist. Soweit es

um die Übermittlung der Willenserklärung durch einen Boten geht, setzt die Wirksamkeit der

Botenschaft nach allgemeiner Auffassung eine entsprechende „Botenmacht“, also das Einverständnis

des Erklärenden mit der Übermittlung der Erklärung, voraus.

18 Hieraus wird teilweise

gefolgert, der Aufsichtsrat müsse durch ausdrücklichen Beschluss eine Person bestimmen, die

zur Übermittlung des Beschlusses bevollmächtigt sei.

19 M.E. ist diese gesonderte Beschlussfassung

aber schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht erforderlich. Ist die Willenserklärung

des Aufsichtsrats (durch Verkündung der Beschlussfassung) in der Welt, kommt es nur

darauf an,

dass sie den Empfänger erreicht, nicht durch wen sie ihn erreicht. Das schließt es allerdings

nicht aus, dem Erklärungsempfänger dann, wenn es ein einseitiges Rechtsgeschäft geht

(konkret: die Kündigung), zu seinem Schutz das Recht zu geben, vom Boten analog § 174 Satz

1 BGB die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zu verlangen. Das wiederum kann aber nur

dann gelten, wenn der Bote nicht von vornherein für die Übermittlung der Erklärung zuständig

ist oder wenn der Erklärungsempfänger Kenntnis von der „Botenmacht“ hat (§ 174 Satz 2

BGB analog). Nach allgemeiner Auffassung ist der Aufsichtsratsvorsitzende entweder schon

von Amts wegen zur Übermittlung von Willenserklärungen des Aufsichtsrats zuständig,

20 oder

man interpretiert in die Beschlussfassung seine konkludente Ermächtigung hierzu hinein;

21 im

Ergebnis wird jedenfalls kaum bezweifelt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende auch ohne besondere

(ausdrückliche) Ermächtigung die zur Übermittlung erforderliche „Botenmacht“ hat.

22

Des weiteren ist die Vorlage einer Vollmacht durch den Boten dann nicht erforderlich, wenn

dieser eine vollständige Ausfertigung der Sitzungsniederschrift bzw. des vollständigen Beschlusses

vorlegt.

23

Übertragen auf die Wohnungseigentümergemeinschaft folgt daraus: Der WEG-Verwalter hat

stets kraft Amtes die zur Übermittlung einer Willenserklärung der Gemeinschaft erforderliche

Botenmacht. Geht es um seine Wahl oder Abwahl und muss die Gemeinschaft daher ihm gegenüber

eine Willenserklärung abgeben, kann die Übermittlung der „fertigen“ Willenserklärung

durch jedermann erfolgen; ein gekündigter Verwalter kann die Kündigung aber analog § 174

Satz 1 BGB zurückweisen, wenn sie nicht von einer hierzu von der Versammlung bestimmten

Personen überbracht wird. Der für die Feststellung und Verkündung von Beschlüssen zuständige

Versammlungsleiter ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Beschluss entweder kraft

Amtes oder als konkludent Bevollmächtigter zur Übermittlung der Willenserklärung befugt.

24

Wird dem Erklärungsempfänger das formell ordnungsgemäße Beschlussprotokoll

25 übermittelt,

ist ihm die darin enthaltene Willenserklärung zugegangen; auch eine Kündigung kann dann

nicht gem. § 174 BGB zurück gewiesen werden.

III. Zusammenfassung

1. Der Beschluss der Gemeinschaft, einen angebotenen Verwaltervertrag anzunehmen, betrifft

nicht nur das Innenverhältnis, sondern stellt die Abgabe einer Willenserklärung dar. Die Annahmeerklärung

wird wirksam, wenn sie dem Erklärungsempfänger (Bewerber um die Verwal-

tung) zugeht (§ 130 Abs. 1 BGB).

2. Ist der Erklärungsempfänger (Bewerber um die Verwaltung) bei der Feststellung und Verkündung

des Beschlussergebnisses (Annahme seines Angebots) anwesend, ist der Vertrag geschlossen.

Dieses Ergebnis entspricht der einhelligen Auffassung zur Anstellung eines Geschäftsführers

durch die Gesellschaft im GmbH-Recht. Es ergibt sich auch aus der ganz überwiegenden

aktienrechtlichen Literatur zur Frage der Anstellung eines Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat,

weil der Vorsitzende der Wohnungseigentümerversammlung dem Aufsichtsratsvorsitzenden

insofern entspricht, als beide kraft Amtes oder kraft konkludenter Beschlussfassung zur

Abgabe (oder, je nach Sichtweise, zur bloßen Übermittlung) von Willenserklärungen für den jeweils

vertretenen Verband befugt sind.

3. Ist der Erklärungsempfänger (Bewerber um die Verwaltung) bei der Verkündung des Beschlussergebnisses

nicht anwesend, wird die Willenserklärung der Gemeinschaft erst mit Zugang

wirksam. Hierfür reicht es aus, dass der Bewerber auf beliebige Weise von der Erklärung

Kenntnis erlangt; es ist nicht erforderlich, dass die Gemeinschaft (ausdrücklich oder konkludent)

einen zur Übermittlung bevollmächtigten Boten bestimmt.

4. Exkurs für den Fall der Kündigung des Verwaltervertrags: Der Verwalter kann die Kündigung

analog § 174 Satz 1 BGB zurückweisen, wenn die Gemeinschaft den Boten weder ausdrücklich

noch konkludent im Beschluss bestimmt hat. Eine Zurückweisung ist aber ausgeschlossen,

wenn die Kündigung durch Übermittlung (einer Kopie des) formgerechten Beschlussprotokolls

zugeht.

 

1 M.E. lässt sich zutreffend von einem Beschluss „der Gemeinschaft“ sprechen, auch wenn es die Wohnungseigentümer

sind, die ihn fassen; denn der Beschluss ist das Ergebnis der Willensbildung der (aus den Wohnungseigentümern bestehenden)

Wohnungseigentümergemeinschaft (die man auch „Verband Wohnungseigentümergemeinschaft“ oder kurz

„Gemeinschaft“ nennen kann). Die begriffsjuristische Frage, ob ein Verband überhaupt „selber“ einen Willen bilden

kann (oder nur dessen Vertreter), wird unten (Ziff. 2) angesprochen.

2 Oder ein Angebot abzugeben; darauf kommt es für die hier interessierenden Fragen nicht an, zumal oft kaum auszumachen

ist, welche Seite das Angebot und welche die Annahme erklärt hat. Im Folgenden wird der Fall der Annahmeerklärung

der Gemeinschaft zugrunde gelegt.

3 OLG Hamm, Beschluss vom 4.3.1997 – 15 W 295/92, NJW-RR 1993, S. 845, Tz. 20; Riecke/Schmid/Abramenko,

Fachanwaltskommentar WEG, 2008, § 26 Rn. 41; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 2007, Rn. 1300; Jennißen/Jennißen,

WEG, 2008, § 26, Rn. 70.

4 Jacoby, Zum Abschluss des Verwaltervertrages, ZWE 2008, S. 327; ebenso schon Hügel, ZMR 2008, S. 1 (3).

5 So im Ausgangspunkt auch Bärmann/Merle, 2008, § 26 WEG, Rn. 90.6 Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 550 ff. mit knappem

Hinweis auf Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 2006, Rn. 566, wo

diesbezüglich aber nur allgemein die Tatbestandsmerkmale der Willenserklärung skizziert werden, ohne auf die Problematik

der Willensbildung eines Verbandes einzugehen.

7 Eingehend z.B. Flume, Allgemeiner Teil des BGB, 2. Band (Das Rechtsgeschäft), 1992, § 4 (Wille und Willenserklärung).

8 So Flume, Fn. 7, § 4 Nr. 8 (Das Wesen der Willenserklärung) für das insoweit vergleichbare Problem der Willensmängel.

Er führt zutreffend aus, man müsse gegenüber jeder juristischen Argumentation misstrauisch sein, welche auf das „Wesen“

von Rechtsfiguren abstelle.

9 Ebenso im Recht der Aktiengesellschaft: „Der in einem Beschluss zum Ausdruck gekommene einheitliche Wille der abstimmenden

Aufsichtsratsmitglieder stellt den Willen des Aufsichtsrats dar“ (BGH, Urteil vom 6.4.1964 – II ZR 75/62,

NJW 1964, S. 1367).

10 Ausführlich Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1997, § 10 I 2 ff.

11 K. Schmidt in: Scholz, GmbH-Gesetz, 1995, § 46, Rn. 80.

12 BGH, Urteil vom 6.4.1964, Fn. 9; Bednarz, Die Kundgabe von Beschlüssen des Aufsichtsrats durch den Aufsichtsratsvorsitzen

den – ein Fall des § 174 Satz 1 BGB?, NZG 2005, S. 418 (419) m.w.N.

13 Vgl. nur Hoffmann-Becking, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4 (Aktiengesellschaft), 2007, Rn. 95

ff.; Semler, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2004, § 122, Rn. 49 ff.

14 OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2003 – 15 U 225/02, NZG 2004, S. 141 = ZIP 2004, S. 1850.

15 So bei OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2003, Fn. 14.

16 Jacoby, Fn. 6, S. 552; Bednarz, Fn. 12, S. 420. Deutliche Worte findet wie üblich Flume, Fn. 7, § 43 Nr. 5: „Diese Rechtsfigur

ist überflüssig. Sie dient auch nur der Verwirrung, indem sie die unglückliche Lehre des 19. Jahrhunderts heraufbeschwört,

als ob die Stellvertretung sonst „Vertretung im Willen“ sei.“

17 Bednarz, Fn. 12, S. 420 m.w.N.

18 Schramm, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2001, vor § 164, Rn. 51 ff.

19 Jacoby, Fn. 6, S. 553; ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2003, Fn. 14.

20 So überzeugend Bednarz, Fn. 12, S. 421 m.w.N.

21 So z.B. Mertens, KölnerKomm zum AktG, 1996, § 107, Rn. 47: „Bei Aufsichtsratsbeschlüssen, die rechtsgeschäftlich

umgesetzt werden müssen, wird im Allgemeinen bereits dann anzunehmen sein, dass sie eine konkludente Ermächtigung

des Aufsichtsratsvorsitzenden enthalten, wenn nicht ausdrücklich ein anderer bevollmächtigt wird“; ebenso bei § 112,

Rn. 29 und allgemein § 78, Rn. 5; Geßler, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band II, § 112, Rn. 22.

22 A.A. Jacoby, Fn. 6, S. 554; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2003, Fn. 14.

23 OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2003, Fn. 14, Tz. 28 m.w.N. aus der Lit.

24 So auch Bärmann/Merle, 2008, § 26 WEG, Rn. 28, 96.

25 D.h. es müssen die von § 24 Abs. 6 WEG geforderten Unterschriften vorliegen und evtl. weitere in der Gemeinschaftsordnung

verankerten Protokollierungsvorschriften eingehalten sein.

 

Quelle: Rechtsanwalt Dr. David Greiner – http://www.ragreiner.de/index.html