Grenzen zulässiger Rechtsberatung durch WEG-Verwalter bei Abstimmungen der Wohnungseigentümer

Jan-Hendrik Schmidt*)


Zugleich eine Besprechung des Vorlagebeschlusses des OLG Köln vom 16. Februar 2001 — 16 Wx 4/01, ZfIR 2001, 663 


Betrachtet man entgegen der bislang herrschenden Meinung die Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses als notwendige Wirksamkeitsvoraussetzung eines Beschlusses der Wohnungseigentümer und spricht ihr dadurch konstitutive Wirkung zu, erlangt der WEG-Verwalter eine Rechtsmacht, die sich von seiner nach dem Gesetz förmlichen Rolle auf Eigentümerversammlungen (vgl. §§ 23-25 WEG) im Vergleich deutlich abhebt. Die dies bejahende neue Ansicht ist in ihrer Begründung vielschichtig und kann für sich beanspruchen, einen systematischen Zusammenhang mit dem allgemeinen Zivil- und Gesellschaftsrecht herzustellen. Außerhalb der rechtlichen Betrachtung stand bislang der Einfluss des Rechtsberatungsgesetzes. Hier setzt der Verfasser an und bejaht jedenfalls bei konstitutiver Feststellung eines dem Abstimmungsergebnis widersprechenden Beschlussergebnisses auf Grund besonderer rechtlicher Prüfung und eigener Wertung durch den Verwalter einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz 


Inhaltsübersicht: 

I. Ausgangslage und Divergenz 

1. Objektiv-normative Auslegung von Sitzungsprotokollen 

2. Berücksichtigung von Grundbuchinhalt und Gesetzesinhalt 

II. Beschlussqualität negativer Beschlussergebnisse und konstitutive Wirkung der Beschlussfeststellung durch den WEG-Verwalter 

1. Argumente der neuen Ansicht 

2. Gegenargumente 

III. Bedenken auf Grund des Rechtsberatungsgesetzes 

1. Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten 

2. Die Ausnahmeregelung des Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG 

IV. Ergebnis 



 

I. Ausgangslage und Divergenz 

Nachdem der Bundesgerichtshof die Frage der rechtlichen Qualität negativer Abstimmungsergebnisse und förmlicher Beschlussverkündungen durch den WEG-Verwalter trotz gründlicher Darstellung des Streitstandes erst kürzlich noch offen ließ,1 scheint eine höchstrichterliche Klärung nun bevorzustehen. Weiterer Aufschub droht eigentlich nur, falls der zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes der Ansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts Köln nicht folgt, die vom Verwalter im Streitfall rechtsirrtümlich verkündete Ablehnung des Beschlussantrages widerspreche der Sachlage noch nicht in dem Maße, dass dem Protokoll trotz der anders lautenden Verkündung eindeutig die Annahme des hilfsweise gestellten Beschlussantrages zu entnehmen sei. Dann nämlich fehlte es an der die Vorlage tragenden Divergenz, weil dann auch nach der divergierenden Ansicht des OLG Hamm die im Regelfall gegebene vorläufige Verbindlichkeit der Beschlussverkündung ausnahmsweise abzulehnen gewesen wäre. Das OLG Köln vernachlässigt diesen Punkt. Die knappe Begründung vermag nicht zu überzeugen. 

1. Objektiv-normative Auslegung von Sitzungsprotokollen 

Richtig ist es zwar, die Evidenzkontrolle neben der Sachlage auch auf die Rechtslage zu erstrecken. 2 Dass die abstimmenden Eigentümer die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur rechtlichen Bewertung von Stimmenthaltungen nicht kannten und ihnen die positive Beschlussfassung daher verborgen geblieben sei, ist jedoch unerheblich. Maßgeblich ist nicht die Gruppe der auf der Versammlung Anwesenden. Da die Eindeutigkeit des Beschlussergebnisses anhand des protokollierten Abstimmungsverfahrens zu bewerten ist, hat die Auslegung des Sitzungsprotokolls wie üblich auf objektiv-normativer Grundlage zu erfolgen, 3 d. h. ein unter Abweichung vom Abstimmungsergebnis verkündetes Beschlussergebnis ist dann evident falsch, wenn ein unbefangener Betrachter es als evident falsch erkennt. Dafür sprach nach dem Sachverhalt einiges. Auch wenn das Protokoll bei den Stimmenthaltungen einen Zahlendreher enthielt, brachte es deutlich zutage, dass angesichts der Mehrzahl an Ja-Stimmen bei keiner Gegenstimme die Stimmenthaltungen falsch bewertet worden sein mussten, um im Ergebnis zu der Antragsablehnung zu kommen. Nach dem objektivierten Mehrheitswillen war der Beschlussantrag eindeutig angenommen. Dass Enthaltungen keine Nein-Stimmen sind, war im Zeitpunkt der Versammlung seit Jahren geklärt und ist dem unbefangenen Betrachter als bekannt zu unterstellen. 

2. Berücksichtigung von Grundbuchinhalt und Gesetzesinhalt 

Für die Annahme des OLG Köln, die Feststellung des Verwalters sei als vorläufig verbindlich im Sinne der Rechtsprechung des OLG Hamm zu erachten, ließe sich noch eine andere Entscheidung anführen. 4 Dort wurde entgegen der mehrheitlich beschlossenen Verwalterabberufung vom Versammlungsvorsitzenden in Übereinstimmung mit allen anwesenden Eigentümern die Antragsablehnung verkündet, weil nicht bekannt war, dass die in der Teilungserklärung ursprünglich vorgesehene qualifizierte Mehrheit inzwischen in einfache Mehrheit geändert worden war. Das OLG Hamm verneinte wegen des allseitigen Irrtums und der Tatsache, dass nur die Altfassung der Teilungserklärung auf der Versammlung vorgelegen hatte, die Eindeutigkeit der wahren Sachlage. Dieses Ergebnis überzeugt nicht. Dass die geänderte Teilungserklärung nicht vorlag, ist unerheblich. Wie erwähnt, kommt es nicht auf das Verständnis der auf der Versammlung Anwesenden an. Die Bindungswirkung für überstimmte bzw. nicht anwesende (§ 10 Abs. 4 WEG) sowie künftige Eigentümer (§ 10 Abs. 3 WEG) erfordert eine objektiv-normative Auslegung. 5 Bei der Auslegung eines Protokolls sind nicht nur solche Begleitumstände beachtlich, die ebenfalls Niederschlag im Protokoll fanden, sondern erst recht der Inhalt der aktuellen Teilungserklärung. Da Beschlüsse beziehungsweise Sitzungsprotokolle wie Grundbucherklärungen auszulegen sind, kann der Grundbuchinhalt selbst nicht außen vor bleiben. Hinzu kommt, dass die Unkenntnis der wahren Sachlage von einem Irrtum über die Rechtslage begleitet wurde. Dem unbefangenen Betrachter wäre aufgefallen, dass das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit bereits nach dem Gesetz unwirksam war und die von der Mehrheit erklärte Abberufung ausreichte (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Satz 4 WEG). Die Kenntnis des Gesetzes kann dem unbefangenen Betrachter unterstellt werden, ohne gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze zu verstoßen. Bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben haben die nicht erkennbaren oder mehrdeutigen subjektiven Vorstellungen der abstimmenden Eigentümer. Grundbuchinhalt und Gesetzesinhalt sind aber objektiv eindeutig. 

II. Beschlussqualität negativer Beschlussergebnisse und konstitutive Wirkung der Beschlussfeststellung durch den WEG-Verwalter 

1. Argumente der neuen Ansicht 

Der Frage nach der Konstitutivkraft der vom Versammlungsleiter formal festgestellten und verkündeten Beschlussergebnisse vorgelagert ist die Frage nach der Beschlussqualität negativer Abstimmungsergebnisse. Dies ist auch im Hinblick auf § 23 Abs. 4 WEG wichtig, da nur Beschlüsse gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG gerichtlich für ungültig erklärt werden können, nicht aber sonstige Willensäußerungen innerhalb einer Gemeinschaft. Die neuere Ansicht 6 will unter Berufung auf die Rechtssicherheit insoweit nicht unterscheiden, sieht also entgegen der herrschenden Meinung nicht nur in positiven Abstimmungsergebnissen einen verbindlichen kollektiven Willensakt. Auch eine den auf Veränderung der Rechtslage gerichteten positiven Beschlussantrag ablehnende Mehrheit bringe einen rechtsgeschäftlichen Willen zum Ausdruck, wenngleich dieser weder auf eine Rechtsänderung noch auf das "kontradiktorische" Gegenteil gerichtet sei; beides ändere nichts daran, dass eine Angegelegenheit geregelt und der Gemeinschaftswille festgelegt werde; auch der negative Beschluss verwirkliche somit die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung; schließlich könne es nicht richtig sein, dass es letztlich nur an der Formulierung des Antrags liege, ob dieser angenommen oder abgelehnt werde. 7

Das zuletzt genannte Argument bringt die herrschende Ansicht in Bedrängnis. Ihr zufolge soll die positive Abstimmung über einen negativ formulierten Antrag ein Beschluss sein, das negative Abstimmungsergebnis zum selben – lediglich positiv formulierten – Antrag hingegen nicht. Zwar hätte ein Verwalter dem Verlangen der Versammlung nach Umformulierung eines Beschlussantrages zu entsprechen, da er insoweit nur einen Vorschlag unterbreitet. In der Praxis geschieht dies aber selten und es erscheint willkürlich, die rechtliche Qualität eines Abstimmungsergebnisses dem Diktat des Verwalters zu unterstellen. 

2. Gegenargumente 

Die übrige Begründung der neuen Ansicht ist weniger zwingend. Das Oberlandesgericht Köln führt aus, im WEG setze sich die Beschlussfassung zusammen aus dem Beschlussantrag und der Abstimmung hierüber; der Beschluss sei schon existent, wenn die erforderliche Mehrheit dem Beschlussantrag zugestimmt habe. Es entspricht in der Tat einer verbreiteten Ansicht, dass die Beschlussfassung mit dem Abschluss der Auszählung beendet ist, so dass die Ergebnisfeststellung nicht mehr zum Beschlusstatbestand gehört. 8 Des weiteren verweist das vorlegende Gericht auf § 24 Abs. 6 Satz 1 WEG, der ein Ergebnisprotokoll lediglich zum Zwecke der Beweissicherung vorsehe, nicht aber als Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Beschluss. Das Interesse konformer Lösungen zwischen WEG und dem allgemeinen Zivil- und Verbandsrecht sei kein hinreichender Grund für eine andere Beurteilung. Ergänzend zu der Kritik des Oberlandesgerichts Köln erscheinen weitere Argumente der neuen Ansicht angreifbar. 

2.1. Rechtsgeschäftlicher Wille 

Zunächst stellt das Argument, auch ein die Rechtslage bestätigender Beschluss bringe einen rechtsgeschäftlichen Willen zum Ausdruck, zu sehr die Willenskundgabe als solche in den Vordergrund. Unbestreitbar gibt die mehrheitliche Ablehnung eines Antrags einen Willen kund. Wesentlich in der Rechtsgeschäftslehre, und damit sowohl für eine Willenserklärung einer Einzelperson als auch für einen Beschluss als dem Inbegriff für mehrere gleichgerichtete Willenserklärungen innerhalb eines Kollektivorgans, ist aber die Herbeiführung einer Rechtsfolge, auf die die Willensäußerung gerichtet sein muss. Das ist bei einem negativen Abstimmungsergebnis grundsätzlich nicht der Fall. Keine anerkennenswerte Rechtsfolge im Sinne der neuen Ansicht ist der Beginn der Anfechtungsfrist bzw. die Anfechtbarkeit negativer Beschlüsse. 9 Hierauf ist der Wille der abstimmenden Eigentümer nicht gerichtet. Im Gegenteil: jeder einzelne Eigentümer möchte seinen Willen in einem gültigen Mehrheitsbeschluss verwirklichen, der nicht angefochten wird. Dass die Rechtslage nicht geändert werden und stattdessen alles beim Alten bleiben soll, ist ebenfalls keine von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsfolge. Betritt eine Einzelperson einen Laden und erklärt unvermittelt, sie werde nichts kaufen, äußert sie zwar einen Willen, aber eben keinen rechtsgeschäftlichen. Nicht anders verhält es sich grundsätzlich bei einem negativen Abstimmungsergebnis. Um sich rechtsgeschäftlich zu binden, bedarf es in beiden Fällen einer positiven Willensäußerung. Als Ausnahmefall, in dem ein negatives Abstimmungsergebnis rechtsgeschäftlichen Charakter haben könnte, kann bei der Ablehnung eines Angebots erwogen werden: Liegt den Wohnungseigentümern ein Angebot vor, etwa über die Sanierung einer Fassade, und lehnt die Mehrheit die Annahme mehrheitlich ab, verkörpert das negative Abstimmungsergebnis ausnahmsweise einen rechtsgeschäftlichen Willen, da es auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. § 146 BGB). 10 Ähnliches hätte etwa bei der negativen Entschließung über ein gerichtliches Vergleichsangebot zu gelten. Allgemein formuliert können negative Abstimmungsergebnisse mithin dort rechtsgeschäftliche Willensäußerungen sein, wo bloßer Untätigkeit ausnahmsweise ein Erklärungswert zukommt. 

2.2. Festlegung des Gemeinschaftswillens 

Es ist insofern auch ungenau, wenn gesagt wird, auch durch einen negativen Beschluss werde der Gemeinschaftswille festgelegt. Weil die Versammlung nicht gehindert ist, sich — sei es in Zukunft oder sogar noch auf derselben Versammlung — erneut mit demselben Beschlussantrag zu befassen und gegebenenfalls genau entgegengesetzt zu entscheiden, also keinerlei Bindungswirkung oder Sperrwirkung besteht, kann von einer Festlegung nicht die Rede sein. Die Bindungswirkung nach § 10 Abs. 4 WEG setzt einen positiven Beschluss voraus. Ein Eigentümer aus der Mitte der für einen Beschlussantrag stimmenden, aber überstimmten Minderheit ist keinesfalls zur Anfechtung des negativen Beschlussergebnisses angehalten, um nicht an die abschlägige Entschließung gebunden zu sein. Die Bestandskraft eines negativen Beschlusses kann mangels eines Regelungsgehalts keine Bindungswirkung entfalten. Die Äußerung des Bundesgerichtshof, in dem mehrheitlichen Willen, etwas nicht zu wollen, liege weder eine Billigung des "kontradiktorischen" Gegenteils noch eine Rechtsänderung, 11 lässt sich als Beleg für diese Ansicht anführen. Ferner steht die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von abändernden Zweitbeschlüssen 12 nicht im Wege, d. h. auch richterrechtlich sind die Eigentümer nicht an einen negativen "Erstbeschluss" gebunden. Eine Bindungswirkung für nachfolgende Beschlüsse mit (teil)identischem Regelungsgehalt kann ebenfalls nur ein positiver Beschluss entfalten. Selbst bei Anwendung der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Zulässigkeitskriterien ist es schwer vorstellbar, wie ein negativer "Erstbeschluss" schutzwürdige Belange eines Wohnungseigentümers schaffen sollte. 13 Das negative Abstimmungsergebnis bringt letztlich nicht mehr zum Ausdruck als die Tatsache, dass im Augenblick der Stimmabgabe keine Mehrheit für eine Rechtsänderung gefunden wurde. 

2.3. Verwirklichung von Beschlusskompetenz durch negative Beschlüsse 

Zu beanstanden ist außerdem die Aussage zur Beschlusskompetenz. Stimmt eine Mehrheit gegen den auf Rechtsänderung gerichteten Beschlussantrag, verwirklicht sie keine Beschlusskompetenz, sondern lehnt die Ausübung einer Beschlusskompetenz ab. Die Befugnis, in einer Angelegenheit, über die nach dem Gesetz oder nach einer Vereinbarung ein Beschluss gefasst werden kann, keinen Beschluss zu fassen, setzt keine Beschlusskompetenz voraus. In diesem Sinne kann § 23 Abs. 1 WEG nicht verstanden werden. Er beschränkt sich auf positive Beschlussfassungen. Die Befugnis folgt vielmehr aus der Autonomie der Eigentümer, sich in einer Angelegenheit nicht zu binden, ohne dies näher begründen oder vor dem Gesetz rechtfertigen zu müssen. Dies zeigt das folgende Beispiel: Ein Sondernutzungsrecht kann per Beschluss bekanntlich nicht begründet werden; der Gemeinschaft fehlt jede Beschlusskompetenz. 14 Wenn gleichwohl ein auf Begründung eines Sondernutzungsrechts gerichteter Beschlussantrag zur Abstimmung gestellt und mehrheitlich abgelehnt wird, bedarf es keiner entsprechenden (negativen) Beschlusskompetenz. Da sie in positiver Form dem WEG fremd ist, 15 kann sie in negativer Form schon gar nicht hergeleitet werden. Wenn es einer Eigentümergemeinschaft nach den besonderen Umständen eines Einzelfalles ausnahmsweise doch einmal verwehrt sein sollte, es bei einer Antragsablehnung zu belassen, läge auch dies nicht an fehlender Beschlusskompetenz, sondern an einem entsprechenden Anspruch eines oder mehrerer Miteigentümer auf positive Beschlussfassung, z.B. aus § 21 Abs. 4 WEG. 

2.4. Rechtssicherheit 

Der von der neuen Ansicht verfolgte Gewinn an Rechtssicherheit soll im Zusammenhang mit der konstitutiven Wirkung einer Beschlussfeststellung untersucht werden. Die Untersuchung beschränkt sich auf den WEG-Verwalter, der auf Versammlungen von Wohnungseigentümern nach dem Gesetz (vgl. § 24 Abs. 5 WEG) und in der Praxis den Vorsitz hat. Es ist der neuen Ansicht zuzugeben, dass gerade unter den der Versammlung ferngebliebenen Eigentümern Verunsicherung um sich greift, wenn ein gemäß Protokoll festgestelltes und verkündetes Beschlussergebnis im Widerspruch zum ebenfalls protokollierten Abstimmungsergebnis steht und sich der Widerspruch nicht durch die angesprochene Evidenzkontrolle auflöst. Dies rechtfertigt es aber nicht unbedingt, von einem unangemessenen Interpretations- und Bewertungsrisiko bezüglich der Versammlungsniederschrift zu sprechen. 16 Zum einen wird dieses Risiko begünstigt durch das Fehlen einer höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ein die bislang herrschende Rechtsansicht bestätigender Beschluss des Bundesgerichtshofes brächte ebenfalls ein Stück Rechtssicherheit zurück. 17 Zum anderen ist es der Rechtssicherheit nicht minder abträglich, wenn Eigentümer vorbehaltlich einer eventuellen gerichtlichen Entscheidung an eine persönliche Rechtsmeinung des Verwalters gebunden werden, der eine Feststellung treffen kann, die nicht dem erklärten Mehrheitswillen entspricht. 

2.5. Interpretations- und Bewertungsrisiko 

Dabei muss nicht einmal vordringlich an Missbrauchsfälle gedacht werden, der die neue Ansicht mit einem spontanen Austausch des Versammlungsvorsitzenden in der Versammlung oder einer Beschlussanfechtung begegnen möchte. 18 Meistens wird es um Rechtsirrtümer gehen, so dass als einziger Ausweg der Weg zum Gericht bleibt. Das Interpretations- und Bewertungsrisiko stellt sich in Wahrheit also als Anfechtungsobliegenheit dar. Seit der Entscheidung vom 20.9.2000 19 sollte bei der Vertröstung übergangener Eigentümer mit dem ihnen bleibenden Anfechtungsrecht jedoch Zurückhaltung geübt werden. So wie ein Eigentümer sich in Angelegenheiten, in denen eine gesetzliche oder vereinbarte Beschlusskompetenz fehlt und sein Wohnungseigentumsrecht somit mehrheitsfest ist 20 nicht länger in die kostenauslösende Rolle des Antragstellers im Verfahren nach §§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 23 Abs. 4 WEG drängen lassen muss, um Rechtsnachteile abzuwenden, muss die Mehrheit gegen Alleingänge des Verwalters geschützt sein. Die abstimmende Mehrheit muss darauf vertrauen dürfen, dass ihr Wille nicht durch eine abweichende Rechtsansicht des Verwalters mit (vorläufiger) Verbindlichkeit überlagert wird. Schon gar nicht kann die formale Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses über Zweifelsfälle hinaus zur allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzung von Beschlüssen gemacht werden. Dies wäre nur dann vertretbar, wenn dem Verwalter nach dem Gesetz eine entsprechende Rechtsmacht zufiele, woran es aber fehlt. Die diesbezüglichen Argumente der herrschenden Meinung sollen hier nicht wiederholt werden. 21

III. Bedenken auf Grund des Rechtsberatungsgesetzes 

Bislang übergangen wurde das RBerG. Soweit es sich bei der obligatorischen Beschlussfeststellung durch den WEG-Verwalter um eine unerlaubte Rechtsbesorgung handelt, ist eine konstitutive Wirkung gemäß § 134 BGB i. V. m. Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG ausgeschlossen. 22 Dass das RBerG bei der hier interessierenden Problematik bislang keine Beachtung fand, ist zurückzuführen auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 6.5.1993, 23 durch den rechtsbesorgende Tätigkeiten des WEG-Verwalters weitestgehend für zulässig erachtet werden, weil unter Verkennung der Gesetzessystematik und ohne ersichtlichen Anlass — der zur Vorlage durch das KG 24 führende Streit betraf die Anwendbarkeit von Art. 1 § 5 Nr. 1 oder 3 RBerG 25 — mit Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG die falsche Ausnahmebestimmung herangezogen wurde. Die zahlreichen Argumente, die gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofes sprechen, können an dieser Stelle nicht vertieft werden. 26 Es soll sein Bewenden haben mit dem Hinweis, dass auf WEG-Verwalter, soweit sie rechtsbesorgend tätig werden, Art. 1 § 5 Nr. 3 WEG die anzuwendende Ausnahmevorschrift ist. 

1. Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten 

1.1. Gestaltung der Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer 

Fremde Rechtsangelegenheiten besorgt, wer eine Tätigkeit ausübt, die darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. 27 Da Rechtsgestaltung die Begründung von Rechtsverhältnissen einschließt, 28 erfüllt der WEG-Verwalter bei Bejahung einer konstitutiven Wirkung den allgemeinen Verbotstatbestand des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG. Die konstitutive Wirkung der Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses durch den Verwalter begründet sofort und unmittelbar ein Rechtsverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern. Jeder von ihnen ist durch den Beschluss, wie ihn der Verwalter verkündet, unmittelbar gebunden (vgl. § 10 Abs. 4 WEG). Der Mehrheitswille der Eigentümer hat keine Bedeutung, auch nicht hilfsweise, wenn der Verwalter die Ergebnisfeststellung versäumt. Im übrigen ist es unschädlich, dass der Konstitutivakt des Verwalters nur das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer betrifft und mit dem Risiko einer gerichtlichen Ungültigkerklärung behaftet ist, denn Außenwirkung und abschließender Charakter sind keine Voraussetzungen für eine Rechtsbesorgung. 29

1.2. Restriktive Tendenzen in der neueren Rechtsprechung 

Die konstitutive Feststellung und Verkündung von Beschlussergebnissen wird auch nicht mit Rücksicht auf restriktive Tendenzen der jüngeren Rechtsprechung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung zu erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung. Dazu ist die Rechtsmacht, die dem Verwalter nach der neuen Ansicht zufällt, zu groß, wie auch der Vergleich mit seiner sonstigen Stellung im Abstimmungsverfahren zeigt. 

1.2.1. Schwierigkeitsgrad rechtlicher Tätigkeit 

Grundsätzlich kommt es für die Anwendung von Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG nicht darauf an, ob eine rechtliche Tätigkeit schwieriger oder einfacher Art ist. 30 Dennoch sind Vorgänge, die sich in rechtlich derart üblichen und jedermann geläufigen Formen abspielen, dass sie den Betroffenen oft gar nicht das Bewusstsein eines rechtlichen Vorgangs vermitteln, keine Rechtsangelegenheiten. 31 Paradebeispiel ist das Bargeschäft des täglichen Lebens, das sich im einmaligen sofortigen Leistungsaustausch erschöpft. 32 Inzwischen wird für den Abschluss von Verträgen für Dritte eine weitere Ausnahme gemacht, wenn eine besondere rechtliche Prüfung von Geschäftsinhalt oder Geschäftsrisiken weder verkehrsüblich noch im Einzelfall offensichtlich geboten oder vom Auftraggeber ausdrücklich gewünscht oder erkennbar erwartet wird. 33 Dem ist vom Ansatz her zuzustimmen, weil sonst weite Bereiche des stellvertretenden Handelns, das sich nicht durch sofortigen Vollzug erledigt, dem Erlaubniszwang unterfiele. 34

1.2.2. Vergleichbarkeit mit stellvertretendem Handeln 

Da stellvertretendes Handeln ein fremdes Rechtsverhältnis zwischen Dritten ebenso begründet (§ 164 BGB) wie eine konstitutive Beschlussfeststellung, erscheint eine Gleichbehandlung nicht von vornherein abwegig. Auch wird man die erwähnten einschränkenden Merkmale als beachtet betrachten können, wenn der Verwalter ein Beschlussergebnis entsprechend dem Abstimmungsergebnis feststellt und verkündet. Solange keine besondere rechtliche Prüfung inbegriffen ist, gleicht die förmliche Feststellung anderen förmlichen Tätigkeiten des Verwalters im Abstimmungsverfahren (vgl. §§ 23-25 WEG), wie die Einladung, die Feststellung der Beschlussfähigkeit, das Verteilen von Stimmzetteln oder die Protokollführung. Trotz der rechtsgestaltenden Wirkung für die Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer erschiene es vertretbar, von einer einfachen Hilfstätigkeit im Rahmen der organisatorischen Verwaltung zu sprechen, die die autonome Willensbildung und -verwirklichung der Eigentümer bei der Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten lediglich unterstützt. Es wäre kein Unterschied zum Stellvertreter ersichtlich, der ja ebenfalls eine eigene Willenserklärung mit Fremdbezug abgibt, sich mangels einer eigenen besonderen rechtlichen Prüfung wie erwähnt aber keines Verstosses gegen das RBerG schuldig macht. 

1.3. Stimmauszählung und Beschlussergebnisfeststellung 

Schwieriger ist die Einordnung von Stimmauszählung und Feststellung des Beschlussergebnisses. Bedingt durch ihre Doppelnatur als einerseits tatsächlicher Vorgang und andererseits rechtliche Bewertung ist die Annahme einer besonderen rechtlichen Prüfung und damit einer unzulässigen Rechtsbesorgung naheliegend. Die Stimmauszählung, also die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses im Verhältnis der Ja-Stimmen zu den Nein-Stimmen, ist ein tatsächlicher Vorgang. Da jedoch von den abgegebenen Stimmen nur diejenigen berücksichtigt werden dürfen, die gültig sind und nicht aus besonderen oder allgemeinen Gründen rechtsunwirksam, läuft eine begleitende rechtliche Überprüfung. 35 Beide Vorgänge sind untrennbar. Ist ein Wohnungseigentümer z.B. nicht stimmberechtigt (vgl. § 25 Abs. 5 WEG), darf der Verwalter seine Stimme nicht mitzählen. Eine Mischung aus tatsächlichem Vorgang und rechtlicher Wertung ist auch die Feststellung des Beschlussergebnisses. Hier hat der Verwalter zu prüfen, nach welchen rechtlichen Regelungen, d. h. aus einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer oder aus dem Gesetz, die Bejahung oder Verneinung des zur Abstimmung gestellten Beschlussantrags zu ermitteln ist. 36

1.3.1. Wissenskundgebung über Tatsachen und Rechte 

Die rechtliche Bewertung nach dem RBerG fällt differenziert aus: Schlechthin als Rechtsberatung kann weder die Stimmauszählung noch die Feststellung des Beschlussergebnisses angesehen werden. Entscheidend ist der Einzelfall, wobei sich allerdings grundsätzliche Aussagen durchaus treffen lassen. Zunächst einmal keine Rechtsbesorgung ist die Stimmauszählung bei einer Abstimmung ohne Stimmrechtsverbot. Weder das Sammeln von Tatsachen noch die Mitteilung eigenen Wissens über bestimmte Sachverhalte unterfällt nach einhelliger Meinung dem RberG. 37 Auch die Nichtberücksichtigung von Stimmenthaltungen erfordert keine rechtliche Prüfung. Sie ist schlichte Anwendung einer unmissverständlichen Rechtsprechung, die kein Eingehen auf Einzelfallgesichtspunkte zulässt. Die Wissensmitteilung wird nicht allein dadurch zur Rechtsberatung, dass sie nicht nur Tatsachen, sondern auch das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechten — hier von Stimmrechten bzw. deren Erfolgswert — betrifft oder einbezieht. 38 Bloße Information — auch Rechtsinformation — ist keine Rechtsberatung. 

1.3.2. Übergang von Information zu Subsumtion mit eigener Wertung 

Die Grauzone beginnt, wo sich Information mit Subsumtion und eigener Wertung vermischt. Bereits weniger eindeutig, im Ergebnis aber ebenfalls noch erlaubt ist die Stimmenauszählung, wenn der Verwalter gesetzliche Stimmrechtsverbote zu berücksichtigen hat (vgl. § 25 Abs. 5 WEG). Das Bestehen bzw. Nichtbestehen von Stimmrechten ist zwar eine Rechtsfrage, die mit der tatsächllichen Stimmauszählung aber untrennbar zusammenhängt und zumeist mühelos beantwortet werden kann. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 25 Abs. 5 WEG sind genau beschrieben, kennen keine Ausnahmen und lassen dem Verwalter keinen eigenen Beurteilungsspielraum. 

1.3.3. Verbotene Rechtsberatung bei der Stimmauszählung 

Anders verhält es sich in folgendem Fall: 39 Auf einer Versammlung ergab das tatsächliche Abstimmungsergebnis 91 Ja-Stimmen, 238 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen. Der Verwalter stellte gleichwohl die Annahme des Antrags fest und protokollierte dies, weil er (zu Unrecht) 233 der Nein-Stimmen wegen "rechtsmissbräuchlicher Stimmrechtsmajorisierung" für unwirksam hielt. Dieses Verhalten überschreitet die Grenze zur erlaubnispflichtigen Rechtsbesorgung. Dass der Verwalter mit seiner Ansicht Unrecht hatte, ist dabei unbeachtlich. Der Verwalter verkündete mit konstitutiver Wirkung einen Beschluss, der im Widerspruch zum Abstimmungsergebnis stand und dem seine eigene rechtliche Bewertung innewohnte. Ursächlich für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer war nicht der erklärte Wille der Mehrheit der Eigentümer, sondern allein der des Verwalters. Im Gegensatz zu den gesetzlich abgefassten Voraussetzungen eines Stimmrechtsausschlusses gemäß § 25 Abs. 5 WEG ist das Problem des die übrigen Wohnungseigentümer "majorisierenden" Mehrheitseigentümers gesetzlich nicht geregelt und letztlich nur über die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) lösbar. Die dazu erforderliche Wertung ist juristisch anspruchsvoll, weil sie die Abwägung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles unter Berücksichtigung der Rechtsprechung erfordert. Zu dieser Abwägung ist ein WEG-Verwalter weder befähigt noch berufen. Kraft der ihm von der neuen Ansicht zugestandenen Rechtsmacht ist er jedoch selbst in derart komplexen und schwierigen Beschlussfragen nicht gehindert, seinen Willen über den der Gemeinschaft zu setzen und diese unmittelbar daran zu binden.Verkannt wird, dass es nicht um eine förmliche Feststellung und Verkündung geht, sondern um eine verbindliche Gestaltung fremder materieller Rechtsbeziehungen gegen den erklärten Willen der Rechtsinhaber. 

1.3.4. Verbotene Rechtsberatung bei der Feststellung des Beschlussergebnisses 

Noch größer als bei der Aussonderung ungültiger Stimmabgaben ist die Wahrscheinlichkeit von Gesetzesverstößen bei der sich anschließenden Herleitung des Beschlussergebnisses, die den Verwalter vor wesentlich umfangreichere rechtliche Wertungen stellen würde, um mit dem Bestehen einer Beschlusskompetenz gleich eine der derzeit umstrittensten Fragen anzusprechen. 40 Gleich verhält es sich, wenn der Verwalter einen nach dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommenen Antrag wegen der nach seiner Auffassung fehlenden Voraussetzungen für einen Zweitbeschluss für abgelehnt erklärt. Auch diese Frage ist gesetzlich nicht geregelt und läuft auf eine anspruchsvolle Wertung hinaus. 41 Ein weiteres Beispiel ist die rechtliche Bewertung der Zustimmungsbedürftigkeit nach den §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 Nr. 1 WEG, eine Frage, die regelmäßig schwieriger zu beantworten ist als es zunächst scheint und auch von Verwaltern nicht selten falsch beantwortet wird. 42 Der Bewertung von Stimmenthaltungen gleichzusetzen und daher keine Rechtsbesorgung ist hingegen die Feststellung der Beschlussablehnung bei Stimmengleichheit 

1.3.5. Kein Konflikt zwischen RBerG und bislang herrschender Meinung 

In keinerlei Spannungsverhältnis zum RBerG gerät die herrschende Auffassung. Ihr zufolge sind Feststellungen und Verkündungen des Verwalters rein deklaratorisch und abweichende Rechtsansichten nur unverbindliche Meinungsäußerungen. Rechtsverbindlich ist ausschließlich der durch das Protokoll in objektivierter Form zum Ausdruck kommende Beschlusswille der Eigentümer, die mit der Abstimmung unzweifelhaft eigene Rechtsangelegenheiten besorgen. 

2. Die Ausnahmeregelung des Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG 

2.1. Unmittelbarer Zusammenhang 

Um dem Vowurf des Gesetzesverstoßes zu entgehen, müsste die in einer konstitutiven Beschlussfeststellung liegende Rechtsbesorgung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verwaltung stehen (Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG). 43 Dies ist zu verneinen. Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, wenn der Geschäftsbesorger ohne die rechtsbesorgende Tätigkeit seine eigentliche Berufstätigkeit, die nicht rechtbesorgend sein darf, nicht sachgemäß erledigen könnte. 44 Gemeint sind Rechtsbesorgungen, die als notwendiges Hilfsgeschäft der Erledigung eines in der Hauptsache wirtschaftlichen Berufs dienen. Gesetzgeberischer Hintergrund ist, dass sich zahlreiche Berufe wegen der erreichten rechtlichen Durchdringung aller Lebensbereiche ohne gleichzeitige rechtliche Besorgungen nicht mehr ausüben ließen. Den in Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG genannten und ihnen gleichstehenden Geschäftsbesorgern soll die Ausübung ihres Berufes nicht allein wegen dieser Gegebenheit unmöglich gemacht werden. 45

2.2. WEG-Verwaltung nur am Rande ein rechtsberatender Beruf 

Das erforderliche Gefälle zwischen Haupt- und Hilfsgeschäft ist bei der WEG-Verwaltung gewahrt. Der Schwerpunkt des Berufs liegt in der wirtschaftlichen Verwaltung und somit außerhalb des Anwendungsbereichs des RBerG. Gleichwohl ist die rechtliche Verwaltung ein wichtiger Bestandteil der Tätigkeit als WEG-Verwalter (vgl. insb. § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG). Nicht heranziehbar in diesem Zusammenhang ist allerdings die Einteilung in sog. juristische Verwaltung und Wirtschaftsverwaltung. 46 Offenkundig erfolgte diese Abgrenzung ohne Rücksicht auf das RBerG. Entscheidend für das Ausmaß der jeweils erlaubten fremden Rechtsbesorgung ist das konkrete Berufsbild der betreffenden Person (vgl. BGH NJW 1988, 561, 562; KG ZMR 1992, 203, 205). Dieses kann sowohl gesetzlich ausgeprägt als auch traditionell gewachsen sein (vgl. BGH NJW 1988, 561, 562). 

2.3. Berufsbild 

Den Beruf des WEG-Verwalters gibt es seit Einführung des Gesetzes vor 50 Jahren. Ein gesetzliches Berufsbild fehlt bislang, zumindest dann, wenn man dafür einen staatlich vorgeschriebenen Ausbildungsgang mit Berufsabschluss verlangt. Andererseits kommen im WEG einige Vorstellungen, die der Gesetzgeber mit der Stellung des Verwalters verband, klar zum Ausdruck. So sind die Mindestaufgaben und -befugnisse des WEG-Verwalters nach § 27 Abs. 1 und 2 WEG zumindest faktisch als berufsbildprägend anzusehen, da sie wegen der in § 27 Abs. 3 WEG vorgeschriebenen Unabdingbarkeit bereits de lege lata die erforderliche Verbindlichkeit für den Rechtsverkehr haben. Das Abstimmungsverfahren hat zu § 27 WEG jedoch keinen Bezug. Es ist in den §§ 24, 25 WEG geregelt, denen sich für die konstitutive Wirkung einer Beschlussfeststellung nichts abgewinnen lässt. Dies ist auch nicht auf ein Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen, wie die §§ 130 Abs. 2, 241 Nr. 2 AktG belegen. Von einer entsprechenden Regelung im WEG könnte der Gesetzgeber schon deshalb abgesehen haben, weil durch die Teilungserklärung oder eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer die Feststellung und Verkündung durch den Verwalter im Protokoll zur Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Beschluss gemacht werden kann. 47

Bezieht man dann noch die traditionellen Vorstellungen von der Rechtsstellung des Verwalters in die Betrachtung ein, ergibt sich, dass die in Frage stehende Tätigkeit keine notwendige Hilfstätigkeit zur sachgemäßen Ausübung des Verwalterberufes ist. Der WEG-Verwalter ist Vollzugsorgan. Er hat gefasste Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG), ungeachtet seiner eigenen und unter Umständen in der Versammlung geäußerten rechtlichen Bewertung. Mit seiner Stellung als Treuhänder über fremdes Vermögen lässt sich eine konstitutive Rechtsmacht des Verwalters nicht vereinbaren. Auch ist der WEG-Verwalter kein gesetzliches Organ oder mit einem solchen vergleichbar. Entscheidungsträger über Angelegenheiten der Gemeinschaft sind die Eigentümer (§ 23 Abs. 1 WEG). Ihre Willensbildung ist autonom und originär. Die Bindungswirkung von Beschlüssen wird durch Stimmenmehrheit der Eigentümer erzielt, nicht durch das Wort des Verwalters (vgl. § 10 Abs. 4 WEG). Gefasste Beschlüsse werden ausschließlich vom Gericht auf ihre Gültigkeit überprüft und gegebenenfalls für ungültig erklärt. 

IV. Ergebnis 

Eine konstitutive Wirkung von Beschlussfeststellungen durch den WEG-Verwalter verleiht diesem einen erheblichen Zugewinn an Rechtsmacht. Dies passt wenig zu der nach dem WEG förmlichen Funktion des Verwalters im Abstimmungsverfahren und kann überdies zu unerlaubten Rechtsbesorgungen führen. In diesen Fällen verhindert das Gesetz eine konstitutive Wirkung zwingend (Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG i. V. m. § 134 BGB). Auf den WEG-Verwalter ist richtiger Ansicht nach die Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG anwendbar. Die konstitutive und alle Eigentümer unmittelbar bindende Beschlussfeststellung widerspricht dem traditionellen Berufsbild des WEG-Verwalters jedenfalls dann, wenn sie auf einer eigenen besonderen rechtlichen Prüfung durch den WEG-Verwalter beruht und im Widerspruch zur Stimmenmehrheit steht. Diesen Gesichtspunkt sieht die neue Ansicht bislang nicht. 
 
 

*) Rechtsanwalt in Hamburg 
 
 

1 Vgl. BGH ZfIR 2001, 209 (m. Anm. J.-H. Schmidt) zur Wiederherstellungspflicht bei einem lediglich die Abgeschlossenheit beseitigenden Mauerdurchbruch zwischen zwei Wohnungen. (Zurück zum Text)
2 So auch OLG Hamm OLGZ 1990, 180; OLG Hamm OLGZ 1979, 296. (Zurück zum Text)
3 Vgl. nur BGH NJW 1998, 3717; Müller, ZWE 2000, 237, 247.(Zurück zum Text)
4 OLG Hamm OLGZ 1990, 180. (Zurück zum Text)
5 Vgl. nur Staudinger-Bub, BGB, 12. Aufl., 1997, § 23 WEG Rz. 178 m. w. N. (Zurück zum Text)
6 Vgl. neben Merle und Wenzel auch Hadding, ZWE 2001, 179 ff. und Bub, ZWE 2000, 194, 196. (Zurück zum Text)
7 Vgl. Wenzel, ZWE 2000, 382, 383; Bub, ZWE 2000, 194, 196. (Zurück zum Text)
8 Vgl. BayObLG, ZWE 2000, 469 (m. Anm. Armbrüster, S. 455); Becker/Gregor, ZWE 2001, 245, 250; Drabek, ZWE 2000, 395, 400; Bub, ZWE 2000, 194, 201. (Zurück zum Text)
9 Hadding, ZWE 2001, 179, 183 sieht in der Anfechtbarkeit die wichtigste Folgerung aus der rechtlichen Anerkennung negativer Beschlüsse, dies allerdings nur wegen der Möglichkeit, mit der Anfechtung einen Antrag auf Umkehrung des Beschlussergebnisses, d.h. auf Feststellung eines zu dem Antrag ergangenen positiven Beschlusses zu verbinden. Ein Rechtsschutzbedürfnis hierfür besteht, wenn ausnahmsweise ein Anspruch auf positive Beschlussfassung besteht. Die gerichtliche Feststellung ersetzt dann die Feststellung durch den Verwalter. (Zurück zum Text)
10 Das Angebot erlischt mit Zugang der Ablehnung oder — bei Befristung — durch bloßen Zeitablauf. (Zurück zum Text)
11 Vgl. BGH ZfIR 2001, 209, 210. (Zurück zum Text)
12 Vgl. BGHZ 113, 197 ff.; Sauren, WEG, 3. Aufl., 1999, § 10 Rz. 36 m. w. N. (Zurück zum Text)
13 Vgl. auch Bub, ZWE 2000, 194, 196. (Zurück zum Text)
14 Vgl. BGH ZfIR 2000, 877 (m. Anm. Lüke)=NJW 2000, 3500.(Zurück zum Text)
15 Vorbehaltlich einer Regelung in der Gemeinschaftsordnung oder sonstigen Vereinbarung (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG). (Zurück zum Text)
16 So aber Wenzel, ZWE 2000, 382, 385; Bub, ZWE 2000, 194, 202. (Zurück zum Text)
17 Für die größte Rechtsunsicherheit sorgen auf der Grundlage der herrschenden Meinung die Fälle in den eine einfache Mehrheit erreicht, der Beschlussantrag vom Verwalter aber als abgelehnt protokolliert wurde, weil eine qualifizierte Mehrheit verpasst worden sei, vgl. OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 118 (m. Anm. Rau); BayObLG, ZMR 1998, 707; BayObLG, WE 1999, 193. Ein klärendes Wort des BGH dazu, ob die Eigentümer schon bei der Abstimmung und nicht erst nach Auszählung das Bewusstsein einer erforderlichen qualifizierten Mehrheit vom Verwalter vermittelt bekommen haben müssen und wie stark dieses Eingang ins Protokoll finden muss, brächte einiges an Sicherheit zurück, ohne dass der neuen Ansicht gefolgt werden müsste. (Zurück zum Text)
18 Wenzel, ZWE 2000, 382, 385. (Zurück zum Text)
19 BGH ZfIR 2000, 877 (m. Anm. Lüke).(Zurück zum Text) 
20 Vgl. Häublein, ZMR 2000, 423, 426 und BGH ZfIR 2000, 877. (Zurück zum Text)
21 Vgl. insoweit die Übersicht bei Bub, ZWE 2000, 194, 196, 201 f. (Zurück zum Text)
22 Vgl. Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl., 2001, § 1 Rz. 197 m. w. N. (Zurück zum Text)
23 BGHZ 122, 327=NJW 1993, 1924=ZMR 1993, 421=AnwBl 1994, 254 m. abl. Anm. Chemnitz. (Zurück zum Text)
24 KG, ZMR 1992, 203=WE 1992, 112. (Zurück zum Text)
25 Bei KG ZMR 1992, 203, 204, heißt es etwa: „Die allein in Betracht zu ziehende Ausnahmeregelung des Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG . . .“, bei BayObLG NJW-RR 1992, 81, 82: „Daß der Verwalter von Wohnungseigentum zu dem dort genannten Personenkreis (Vermögensverwalter, Hausverwalter und ähnliche Personen) gehört, kann ernsthaft nicht in Zweifel gezogen werden; dies wird auch vom KG nicht in Frage gestellt.“ (Zurück zum Text)
26 Vgl. vor allem Chemnitz, AnwBl 1994, 254; Caliebe, in: Riecke/Warda (Hrsg.), Potsdamer Tage rund ums Wohnungseigentum, 2000, S. 175 ff.; Riecke, ZMR 2000, 493, 497 f. (Zurück zum Text)
27 Vgl. BGH DNotZ 2001, 49, 51; BGH, NJW 2000, 2108; BGH, NJW 1998, 3563, 3564, dazu EWiR 1998, 957 (Gehrlein); BGH, NJW 1995, 3122; Rennen/Caliebe (Fußn. 22), § 1 Rz. 34 m. w. N.; Erbs/Kohlhaas-Senge, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, 1999, § 1 RBerG Rz. 12. (Zurück zum Text)
28 Vgl. nur Rennen/Caliebe, (Fußn. 22), §1 Rz. 18 m. w. N.; Erbs/Kohlhaas-Senge, (Fußn. 27), Rz. 4. (Zurück zum Text)
29 Vgl. Rennen/Caliebe, (Fußn. 22), § 1 Rz. 34 m. w. N. (Zurück zum Text)
30 Vgl. BGH NJW 2000, 2108, dazu EWiR 2000, 691 (Kleine-Cosack); BGH NJW 1987, 3003, 3004=ZIP 1987, 1144, dazu EWiR 1987, 925 (Schäfer); anders BVerfGE 97, 12=NJW 1998, 3481 für eine einfache kaufmännische Hilfstätigkeit, die allerdings in Deutschland ein neuartiger Beruf ist und daher nicht zum Vergleich taugt (Patentgebührenüberwachung). (Zurück zum Text)
31 BGH NJW 2000, 2108, 2109; BGH NJW 1987, 3005, dazu EWiR 1987, 813 (Klaka); Rennen/Caliebe, (Fußn. 22), § 1 Rz. 19. (Zurück zum Text)
32 Zurückgehend auf BGH NJW 1987, 3005. (Zurück zum Text)
33 Vgl. BGH NJW 2000, 2108, 2109. (Zurück zum Text)
34 BGH NJW 2000, 2108. Da Rechtsbesorgungen eines gesetzlichen Vertreter nach h.M. die Fremdheit fehlt – BGH NJW-RR 1986, 1360; Rennen/Caliebe (Fußn. 22) § 1 Rz. 31-, ist das vom BGH angesprochene stellvertretende Handeln auf die rechtsgeschäftliche Stellvertretung zu beziehen. (Zurück zum Text)
35 Vgl. Hadding, ZWE 2001, 179, 183; Zöllner, in: Festschrift für Lutter, 2000, 823, 826. (Zurück zum Text)
36 Vgl. Hadding, ZWE 2001, 179, 184. In der Regel wird einfache Stimmenmerheit genügen. (Zurück zum Text)
37 Vgl. Rennen/Caliebe, (Fußn. 22), § 1 Rz. 43. (Zurück zum Text)
38 Vgl. BGHZ 7, 371, 378=NJW 1953, 60, 61; Erbs/Kohlhaas-Senge, (Fußn. 27), § 1 RBerG Rz. 17. (Zurück zum Text)
39 BayObLG NZM 1999, 712; vgl. auch BayObLG NZM 1999, 713. (Zurück zum Text)
40 Hier ist seit der BGH-Entscheidung vom 20.9.2000 vieles im Fluss, vgl. u.a. Müller, ZWE 2001, 191; Wenzel, ZWE 2001, 226; Merle, ZWE 2001, 342. (Zurück zum Text)
41 Vgl. BGHZ 113, 197 ff.; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., 2000, § 23 Rz. 67 und 53, wo ebenfalls § 242 BGB als Grenze der Beschlusskompetenz für einen Zweitbeschluss genannt wird. (Zurück zum Text)
42 Vgl. z.B. BGHZ 115, 253 ff.=NJW 1992, 182. Wegen der vielen Fallgruppen sei auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen. (Zurück zum Text)
43 Verwaltung meint die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (vgl. § 20 Abs. 1 WEG). (Zurück zum Text)
44 Vgl. BGH NJW 1988, 561, 563. (Zurück zum Text)
45 Vgl. BGH NJW 1988, 561, 562; BGH NJW 1957, 301, 303. (Zurück zum Text)
46 So aber Bärmann/Pick/Merle, (Fußn. 41), § 27 Rz. 98 und Gruber, NZM 2000, 263, 263. (Zurück zum Text)
47 Vgl. BGHZ 136, 187, 191=ZfIR 1997, 549=MDR 1997, 919. (Zurück zum Text)