Sommer, Sonne, Streit – Urteile deutscher Gerichte zum Themenkreis Licht und Schatten

Eigentlich ist es nur schwer vorstellbar, dass ausgerechnet die Sonne einen Anlass zum Streit liefern sollte. Nach den langen, kalten Winter- und Frühjahrsmonaten sind die meisten Bürger wohl froh, wenn es endlich wieder wärmer und heller wird. Trotzdem gibt es solche Fälle von Zwist unter Immobilenbesitzern. Den einen ist es auf Grund gewisser, baulich hervorgerufener Spiegelungen zu sonnig auf ihrer Terrasse, die anderen wollen hingegen einen lästigen, Schatten werfenden, aber geschützten Baum los werden. Mit derartigen Prozessen, in denen es um Sonnenstrahlen, die Solarenergie, den Schatten und den lichtdurchlässigen Baustoff Glas geht, befasst sich die aktuelle Extra-Ausgabe des Infodienstes Recht und Steuern der LBS.

 

Selbst ein auf den ersten Blick harmloses Oberlicht kann Anlass für einen Rechtstreit durch mehrere Instanzen sein. In diesem Fall reflektierte das Bauteil die Sonnenstrahlen so ungünstig, dass ein Nachbar von April bis September in seiner Wohnung täglich eine halbe Stunde extrem geblendet wurde. Das darf nicht sein, entschied das Oberlandesgericht Stuttgart (Aktenzeichen 10 U 146/08). Der Verantwortliche müsse dafür sorgen, dass diese umgelenkten  Sonnenstrahlen, bei denen es sich ja nicht um eine Natureinwirkung handle, nicht mehr stören − zum Beispiel durch ein Oberlicht aus matterem Glas.

 

Genau dieses intensive Licht, das hier umstritten war, kann auch ein wertvoller Wirtschaftsfaktor sein. Der Staat hält seine Bürger dazu an, möglichst umfangreich die Solarenergie einzusetzen. Manchmal aber widersprechen sich ökologisch-wirtschaftliche und kulturell-baurechtliche Absichten. Das musste ein Mann aus Süddeutschland erfahren, der eine Solaranlage auf sein Dach montieren wollte und damit mit einer örtlichen Bauvorschrift in Konflikt geriet, wonach Dächer „in den Farben rot bis rotbraun“ gedeckt werden müssten. Die Photovoltaikanlage aber war grau-schwarz. Der zuständige Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Aktenzeichen 8 S 2417/05) gab in diesem Fall der Sonnenergie den Vorzug. Der Bauherr hätte von der Erfüllung der Vorschriften befreit werden müssen.

 

Eine Möglichkeit, sich schon früh im Jahreslauf die Sonne „ins Haus“ zu holen, sind verglaste Wintergärten. Eigentümergemeinschaften sollten allerdings am besten eine einvernehmliche Lösung suchen, wenn derartiges geplant ist. Eine Gemeinschaft scheiterte mit ihrem Plan, Wintergärten auf Balkonen zu erlauben. Das Amtsgericht Konstanz (Aktenzeichen 12 C 17/07) kam zu dem Ergebnis, derartige Eingriffe könnten „eine nachteilige bauliche Veränderung“ sein und den Charakter der Wohnanlage verändern. Der Beschluss musste zurückgenommen werden.

 

Dächer werden normalerweise von Anwohnern und Passanten wenig beachtet, denn kaum jemand blickt ständig nach oben. Doch manchmal rücken sie eben doch in den Mittelpunkt des Interesses. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Aktenzeichen 3 S 1654/06) hatte es mit solch einer Situation zu tun. Nachbarn fühlten sich bei Sonnenlicht durch glasierte Dachziegel geblendet und somit gestört. Die Justiz konnte diese Argumente nachvollziehen und entschied, dass im Extremfall das Dach sogar neu eingedeckt werden müsse.

 

„Lichtraub“ ist zwar kein strafrechtlich relevantes Delikt, kann aber vor Gericht trotzdem eine Rolle spielen. Die Eigentümer einer Wohnanlage gerieten über einen zusätzlich zu errichtenden Balkon in Streit. Dieser Anbau hätte den darunter wohnenden Besitzern einer offenen Veranda einen großen Teil der Sonneneinstrahlung genommen. Die Wohnung selbst werde dunkler, stellte sich bei der Beweisaufnahme heraus, und der Betroffene habe keine Sicht mehr auf den freien Himmel. Das sei eine „unbillige Beeinträchtigung“, fand das Amtsgericht Konstanz (Aktenzeichen 12 C 10/07). Außerdem, so hieß es im Urteil weiter, müsse man berücksichtigen, dass der Antragsteller ja bereits über eine Dachterrasse verfüge und auf diese Weise Frischluft und Sonne genießen könne.

 

Um die „Verschattung“, also das Fehlen von Sonne, geht es relativ oft vor deutschen Gerichten. Ein Immobilienbesitzer aus Nordrhein-Westfalen fühlte sich durch alten, geschützten Baumbestand in seinem Alltag stark belästigt und beantragte deswegen eine Befreiung von der Baumschutzsatzung. Er benötige dringend einen „Lichtblick“, denn die Sonnenstrahlen könnten nur 90 Minuten am Tag in seine Wohnräume vordringen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 11 K 3691/07) konnte sich dem nicht anschließen. Es liege keine unzumutbare Beeinträchtigung vor, denn das sei nur der Fall, wenn gewöhnliche Tätigkeiten wie Lesen, Nähen und Spielen nur unter Zuschalten von Kunstlicht durchgeführt werden könnten.

 

Das Licht ist nicht die einzige Folgewirkung, die von der Sonne ausgeht. Ziemlich lästig kann im Hochsommer auch die Hitzeentwicklung werden. Der Eigentümer einer Immobilie ist verpflichtet, seinen Mietern – egal, ob gewerblich oder privat – durch bauliche Maßnahmen möglichst erträgliche Temperaturen zu verschaffen. Das trifft zumindest dann zu, wenn bei Abschluss des Vertrages für den Mieter Probleme in dieser Hinsicht nicht zu erkennen waren. Ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm (Aktenzeichen 30 U 131/06) legte in einem konkreten Fall fest, dass bei einer Außentemperatur bis zu 32 Grad Celsius die Innentemperatur in einem Mietobjekt 26 Grad Celsius nicht übersteigen dürfe. Werde es noch wärmer, dann müsse die Differenz regelmäßig mindestens sechs Grad betragen.

 

Der Einsatz von viel Glas als Baustoff ist bei Mietern durchaus beliebt, weil dadurch die Räume heller werden und man die Sonne „in die Wohnung holen“ kann. Doch dieses Material muss auch gepflegt und gereinigt werden. Genau darum stritten Eigentümer und Mieter einer Immobilie vor dem Amtsgericht Potsdam (Aktenzeichen 23 C 465/06). Es ging darum, ob die Reinigung eines Glasdaches unter der Rubrik „Hausreinigungskosten“ umlagefähig sei. Die Justiz entschied mit „Ja“. Solch ein Dach sei „ebenso Bestandteil des Hauses“ wie Flure, Treppen, Fenster und Eingangstüre, bei denen sich die Mieter schließlich auch an der Reinigung beteiligen müssten.

 

Quelle: www.lbs.de/bw/presse/infodienste