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BVerfG, Urteil vom 06.10.2009, Az.: BvR 603/09, NZM 2010, 44
Sachverhalt:
Die klagende WE einer Wohnungseigentumsanlage ist an einer Psychose erkrankt. Auf Grund der Erkrankung ist sie nicht in der Lage, ihren Alltag zu bewältigen und benötigt dringend die Unterstützung ihres Lebensgefährten. Über Jahre hinweg kommt es zu Beschwerden mehrerer Wohnungseigentümer mit der Begründung, durch die Klägerin und ihren Lebensgefährten werde immer wieder die Nachtruhe in erheblicher Weise gestört.
Auf Grund dieser Beschwerden fassen die WE schließlich im Jahr 2008 in einer Eigentümerversammlung den Beschluss, dem Lebensgefährten der Klägerin ein uneingeschränktes Hausverbot zu erteilen.
Die Klägerin erhebt gegen diesen Beschluss Klage auf Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Anfechtungsklage. Als Begründung führte die Klägerin an, dass es der WEG an einer Beschlusskompetenz zum Erlass eines Hausverbots fehlt und darüber hinaus von der Klägerin und ihrem Lebensgefährten keine Störungen ausgehen. Das Amtsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, was vom Berufungsgericht betätigt wurde. Die Klägerin legt gegen diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde ein.
Entscheidung des Gerichts:
Die Verfassungsbeschwerde der Klägerin hat Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (Eigentumsgarantie) verletzt. Art. 14 Abs. 1 GG gibt dem Eigentümer insbesondere auch das Recht darüber zu entscheiden, ob eine Überlassung der Nutzung an Dritte oder eine gemeinschaftliche Nutzung mit Dritten erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht sieht in dem generellen Hausverbot zunächst einmal die Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung des Betretens und Verweilens des Lebensgefährten der Klägerin in deren Wohnung. Der Beschluss greift daher in das grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht der Klägerin über die Nutzung ihres Sondereigentums und die Bestimmung des Zutritts zu ihm ein. Das Nutzungsrecht ihres Sondereigentums erfährt aber seine Grenzen in § 14 WEG, wonach die Nutzung des Sondereigentums zu keinen unangemessenen Benachteiligungen der anderen Wohnungseigentümer führen darf.
Es ist daher grundsätzlich zwischen der geschützten Eigentumsgarantie der Klägerin und dem ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht der übrigen Wohnungseigentümer auf ungestörten Nutzung ihres eigenen Wohnungseigentums abzuwägen und der Interessenskonflikt nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz (schonender Ausgleich der betroffenen Rechte) fallbezogen zu lösen. Dabei ist zu klären ob das Hausverbot zur Durchsetzung der Grundrechte der übrigen Eigentümer erforderlich war oder ob mildere Mittel ausgereicht hätten.
Das Bundesverfassungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Wohnungseigentümer den Lebensgefährten der Klägerin grundsätzlich nur auf Unterlassen unzumutbarer Lärmbelästigungen in Anspruch nehmen konnten, nicht jedoch von ihm verlangen konnten, die Wohnung der Klägerin nicht mehr zu betreten. Das Bundesverfassungsgericht schloss daher nicht aus, dass bei Beachtung der verfassungsrechtlichen Grundsätze die Beschlussanfechtung der Klägerin Erfolg gehabt hätte, da ein Beschluss über ein gesetzlich nicht zulässiges Hausverbot nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht und daher anfechtbar ist. Der Rechtsstreit wurde daher zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen. Gleichzeitig wies das Bundesverfassungsgericht das Landgericht darauf hin, dass auch eine Nichtigkeit des Beschlusses in Betracht kommt.
Quelle: www.friesrae.de/
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