Jahresabrechnung nach § 28 WEG: Wie bestimmt muss der Beschluss sein?

von Ralf Schulze Steinen | 10.02.2016

 

Der Beschluss über die Jahresabrechnung nach § 28 WEG ist nichtig, wenn sich aus ihm nicht hinreichend ergibt, worüber eigentlich Beschluss gefasst worden ist.
 
Dies hat das Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 12.11.2015, Az.  514 C 71/14 entschieden.
 
Der Fall:
In dem zu entscheidenden Fall wurde in einer ordentlichen Wohnungseigentümerversammlung unter dem Tagesordnungspunkt (TOP) „Feststellung der Jahresabrechnung 2013″ ein mehrheitlicher Beschluss über die „Abrechnung 2013“ gefasst. Dieses Beschlussergebnis wurde durch den Versammlungsleiter festgestellt und verkündet.
Einer der Wohnungseigentümer focht diesen Beschluss mit unterschiedlichsten Angriffen an.
Zu Recht?
Ja – das AG Dortmund gibt der Beschlussanfechtungsklage statt, denn der Beschluss über die Jahresabrechnung nach § 28 WEG bzw. die „Abrechung 2013“ sei wegen Unbestimmtheit nichtig.
1.
Weil ein Beschluss, anders als eine Vereinbarung, nach § 10 Abs. 4 WEG auch gegen Sondernachfolger gelte, seien Beschlüsse nur dann rechtlich beachtlich, wenn ihr Inhalt bestimmt und klar sei.
a.
Die Frage, wann ein Eigentümerbeschluss unbestimmt sei, richte sich maßgeblich nach den Regeln zu dessen Auslegung.
Eine Auslegung sei deshalb möglich, weil die einzelnen Stimmabgaben wie auch der Beschluss selbst Rechtsgeschäfte seien, die den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen unterlägen.
Weil Eigentümerbeschlüsse gegen den Sondernachfolger und gegen die nicht an der Beschlussfassung beteiligten Wohnungseigentümer wie Gesetze oder Vereinbarungen wirkten, seien sie aus sich heraus objektiv und nach ihrem objektiven Erklärungswert wie Grundbucherklärungen und Rechtsnormen auszulegen.
b.
In erster Linie sei deshalb für die Auslegung von Eigentümerbeschlüssen der Wortlaut maßgeblich, so wie er sich aus der Niederschrift ergebe, und dessen sich hieraus für einen unbefangenen Beobachter erschließende nächstliegende Bedeutung.
Begleitumstände dagegen, also Umstände außerhalb des protokollierten Eigentümerbeschlusses, könnten im Einzelfall nur dann zur Auslegung berücksichtigt werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann, also auch für nicht an der Versammlung beteiligte Eigentümer und Sondernachfolger, ohne Weiteres erkennbar seien, z.B. weil sie sich aus dem Versammlungsprotokoll ergeben.
Außer Betracht blieben also Begleitumstände, die nicht für jedermann ersichtlich seien oder gar subjektive Vorstellungen der an der Beschlussfassung beteiligten Personen.
2.
Ein Beschluss über die Jahresabrechnung nach § 28 WEG sei nicht hinreichend bestimmt, wenn er nicht auf die beschlossenen Gesamt- und Einzelabrechnungen verweise und somit nicht bereits durch Einblick in die Niederschrift und in die Beschlusssammlung jedem Wohnungseigentümer, der auch nicht bei der Beschlussfassung zugegen war, ermögliche zu erkennen, was gelte. Ein Beschluss über die Jahresabrechnung nach § 28 WEG sei somit nur dann hinreichend bestimmt, wenn sich dem Beschluss zweifelsfrei entnehmen lasse, über welche Jahreseinzel- und Jahresgesamtabrechnung ein Beschluss gefasst werde.
So genüge etwa die Formulierung „die vorliegenden Jahresabrechnungen werden genehmigt“ nicht, wenn sich dem Protokoll nicht eindeutig entnehmen lasse, welche Jahresabrechnungen vorlagen.
Auch genüge die Bezeichnung „die Jahresabrechnung“ werde genehmigt nicht, denn es sei nicht ohne weiteres verständlich, ob nur die Gesamt- oder die Einzelabrechnungen oder alle Abrechnungen genehmigt würden.
Voraussetzung eines hinreichend bestimmten Beschlusses über die Jahresabrechnung nach § 28 WEG sei daher eine Bezugnahme auf die dem Protokoll anliegende Gesamtabrechnung und Einzelabrechnungen oder zumindest aber eine genaue Bezeichnung des Datums der jeweiligen Gesamt- und Einzelabrechnungen. Denn nur so sei für einen nicht an der Beschlussfassung Beteiligten erkennbar, welche Abrechnung beschlossen werde.
Dies sei hier nicht der Fall.
Es ergebe sich aus der Protokollierung nicht, ob eine Gesamt- und Einzelabrechnungen beschlossen wurden oder ob nur eine Gesamtabrechnung beschlossen wurde.
Auch werde nicht Bezug genommen auf das konkrete Datum einer Jahresabrechnung.
Vorliegend komme hinzu, dass der Kläger eine auf ihn ausgestellte Einzelabrechnung vom 19.05.2014 vorgelegt habe, aus welcher sich ergebe, dass diese Abrechnung gemäß einer E-Mail vom 15.05.2014 geändert worden sei. Offensichtlich existierten daher vor der Versammlung verschiedene Einzelabrechnungen.
Da durch den Beschluss nicht konkret auf eine der Abrechnungen Bezug genommen werde, sei der Beschluss aus sich heraus nicht ausreichend verständlich. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Abrechnung beschlossen wurde.
Die Beschlussfassung sei daher aufgrund fehlender Bestimmtheit nichtig.
Fazit:
Die Entscheidung des AG Dortmund ist unserer Auffassung nach vertretbar.
Tendenziell sind aber die Wohnungseigentumsgerichte eher zurückhaltend, wenn es um die Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses wegen Unbestimmtheit geht.
Es sollte also in den Fällen, in denen die Unbestimmtheit eines Beschlusses in Betracht kommt, rechtzeitig Beschlussanfechtungsklage nach § 46 WEG erhoben werden, die aber fristgebunden ist.
Denn jedenfalls stellt die Unbestimmtheit eines Beschlusses über die „Jahresabrechnung“ einen Grund dar, diesen auf Anfechtung hin für ungültig zu erklären.
Hier sind die Gerichte weitaus großzügiger.
Anders entschied jüngst das LG München I, wenn auch mit nur sehr knapper Begründung.
Nach seiner Auffassung entspreche es in der Regel dem Willen der den Beschluss fassenden Wohnungseigentümer, nicht nur die Gesamtjahresabrechnung, sondern auch die Einzeljahresabrechnungen zu beschließen, weil nur durch diesen Beschluss die Nachzahlungsverpflichtungen der einzelnen Wohnungseigentümer ausgelöst werden, was richtig ist.