BGH bestätigt Haftung des Wertgutachters im Zwangsversteigerungsverfahren

BGH bestätigt Haftung des Wertgutachters im Zwangsversteigerungsverfahren

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.03.2006 (III ZR 143/05) haftet der Sachverständige, der zur Ermittlung des Verkehrswertes ein Gutachten erstellt, im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens gegenüber dem Ersteher, wenn sein Gut-achten vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig ist und dem Ersteher dadurch ein Scha-den entsteht.

Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem das Amtsgericht Köln im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachver-ständigen beauftragt hatte, den Verkehrswert der zu versteigernden Immobilie zu ermit-teln. Der Sachverständige ermittelte einen Verkehrswert von € 655.000,00. Im Verstei-gerungstermin blieben die späteren Kläger Meistbietende und erhielten den Zuschlag für € 555.000,00. Im Anschluss daran warfen die Ersteher dem dann beklagten Gutachter vor, ihm seien bei der Wertermittlung Fehler unterlaufen, indem er grob fahrlässig über-sehen habe, dass das Grundstück nur über sechs (statt acht) Stellplätze verfüge und dass ein Teil des Grundstückes mit einem Nachbarhaus überbaut sei. Sie machten gel-tend, bei Offenlegung dieser Umstände das Objekt zu einem geringeren Betrag ersteigert zu haben. Die Differenz habe der beklagte Gutachter zu tragen.

In der Entscheidung bestätigt der BGH erstmals ausdrücklich die Anwendung des § 839 a BGB auf Gutachter, die im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens tätig werden. Aufgrund dieser Vorschrift, die erst seit dem 01.08.2002 gilt, ist ein vom Gericht ernann-ter Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten er-stattet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. Der BGH bes-tätigt, dass der Meistbietende als „Verfahrensbeteiligter“ im Sinne der genannten Vor-schrift anzusehen ist. Denn dieser könne in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, dass bei der Ermittlung des Verkehrswertes sachgemäß und korrekt verfahren worden sei. Es fehle – so der BGH – auch nicht an einer gerichtlichen Entscheidung, die den Schaden konkretisiert habe. Zwar würde im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens kein Urteil verkündet werden, jedoch ein gerichtlicher Zuschlagsbeschluss. Dies sei eine ge-richtliche Entscheidung im Sinne des § 839 a BGB.

Mit diesen beiden Kernaussagen bestätigt der BGH erstmals die Anwendung des § 839 a BGB auf Zwangsversteigerungsverfahren, so dass Gutachter sich zukünftig vermehrt Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sehen können, wenn Ersteher die Unrichtigkeit des Gutachtens nachweisen können und dem Sachverständigen Vorsatz oder grobe Fahr-lässigkeit zur Last fällt.

Zum ersatzfähigen Schaden gehört nach der Entscheidung des BGH jeder Vermögens-schaden des Erstehers. Der zu leistende Schadensersatz soll die Vermögenslage herstel-len, die bei pflichtgemäßem Verhalten des Sachverständigen eingetreten wäre, das heißt wenn der Grundstückswert korrekt ermittelt worden wäre. Der Ersteher kann nicht nur verlangen, so gestellt zu werden, als habe er das Objekt nicht ersteigert. Es bleibe ihm unbenommen geltend zu machen, dass er bei korrekter Wertfestsetzung des Grundstü-ckes zu einem niedrigeren Meistgebot hätte ersteigern können.

Ein Schadensersatzanspruch sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass jemand die Immobi-lie unterhalb des Verkehrswertes ersteigere. Der Schaden liege vielmehr darin, dass der Ersteher bei richtiger Erstellung des Gutachtens noch günstiger habe erwerben können. Allerdings – so der BGH – seien an den Schadensnachweis keine geringen Anforderungen zu stellen, insbesondere wenn die Fehler im Gutachten nur zu einer geringen Verände-rung des Verkehrswertes führen würden. Denn dann sei schwerlich nachzuweisen, dass der Ersteher auch zu einem günstigeren Preis im Zwangsversteigerungsverfahren habe erwerben können.

Autor: Johannes Steger – http://www.breiholdt.de