Kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Aufnahme bestimmter Diskussionsbeiträge im Protokoll

BayObLG: Kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Aufnahme bestimmter Diskussionsbeiträge in Versammlungsniederschrift
 
 
BayObLG, Beschl. v. 3.12.2003 – 2Z BR 188/03 (LG München I)
 
 Leitsätze des Gerichts:
 
 1. Eine Regelung in einer Teilungserklärung, dass eine Niederschrift über die Versammlung und die darin gefassten Beschlüsse zu fertigen ist, geht über die gesetzliche Regelung des § 24 Abs. 6 Satz 1 WEG hinaus und erfordert zumindest eine Wiedergabe aller gestellten Anträge, auch wenn darüber nicht abgestimmt wird. Ein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Aufnahme bestimmter Diskussionsbeiträge in die Niederschrift wird dadurch nicht begründet. Vielmehr verbleibt es insoweit beim Ermessen des Versammlungsleiters.
 
 2. Es widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, dass der Versammlungsleiter Beschlussanträge oder Abstimmungsergebnisse in der Niederschrift unrichtig festhält. Ein Berichtigungsanspruch besteht nicht in jedem Fall einer Unrichtigkeit oder Auslassung.
 
 3. Eine unterbliebene Beteiligung von Wohnungseigentümern am Verfahren kann vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden, wenn die Beteiligung lediglich der Gewährung rechtlichen Gehörs dient (Abgrenzung zu OLG Hamburg ZMR 2003, 868).
 
 Gründe:
 
 I. Die Antragsteller und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Anlage, die von der Antragsgegnerin verwaltet wird.
 
 § 13 Nr. 6 der Gemeinschaftsordnung (GO) enthält folgende Regelungen:
 
 "Den Vorsitz in der Eigentümerversammlung führt der Verwalter. Er hat über die Versammlung und die darin gefassten Beschlüsse eine Niederschrift anzufertigen und diese zur Einsichtnahme durch die Wohnungseigentümer aufzubewahren."
 
 Am 21.6.2001 fand eine Eigentümerversammlung statt. Die Antragsgegnerin erstellte hierüber eine Niederschrift und leitete sie dem Verwaltungsbeirat zur Gegenzeichnung zu. Dieser verweigerte die Gegenzeichnung und forderte Ergänzungen und Berichtigungen. Da es zu keiner Einigung kam, versandte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27.8.2001 das Protokoll an die Wohnungseigentümer. Dieses Protokoll war vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin als Versammlungsleiter und der Protokollführerin unterzeichnet. Es wurden dann noch weitere Protokollentwürfe erstellt, die aber nicht als verbindliches Protokoll an die Wohnungseigentümer übersandt wurden: Die Antragsteller sind mit dem Inhalt des Protokolls in mehreren Punkten nicht einverstanden.
 
 Sie haben beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zu Ergänzungen und Berichtigungen des Protokolls zu verpflichten. Ferner haben sie die Verpflichtung der Antragsgegnerin beantragt, alle Abstimmungsunterlagen einschließlich der Anwesenheitsbescheinigungen mit Vollmachten und den Stimmzetteln sowie eine Anwesenheitsliste mit dem jeweiligen Stand der zu jedem Abstimmungs-Tagesordnungspunkt anwesenden Stimmberechtigten vorzulegen.
 
 Hinsichtlich der Niederschrift über die Eigentümerversammlung beantragen die Antragsteller umfangreiche Ergänzungen, insbesondere hinsichtlich der Ausführungen des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats. Darüber hinaus beantragen die Antragsteller zu Tagesordnungspunkt (TOP) 4 eine Ergänzung des Beschlussantrags. Zu TOP 6 beantragen sie die Aufnahme eines Antrags des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats und zu TOP 9 beantragen sie die Berichtigung des Protokolls dahin, dass keine Stimmenthaltungen vorhanden wären, sondern dass die Wohnungseigentümer, deren Stimmen als Enthaltung festgestellt wurden, die Versammlung bereits verlassen hatten.
 
 Das Amtsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 5.9.2002 abgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 20.8.2003 zurückgewiesen und den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde wenden sich die Antragsteller gegen die Entscheidung des Landgerichts in der Hauptsache, hinsichtlich des Geschäftswerts und über die
 
 Kosten des Beschwerdeverfahrens.
 
 II. Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
 
 1. Das Landgericht hat ausgeführt:
 
 Die Regelung des § 13 Nr. 6 G0 bedeute gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 24 Abs. 6 Satz 1 WEG keinen qualitativen Unterschied. Auch nach der Gemeinschaftsordnung sei nur die Erstellung eines Ergebnisprotokolls vorgeschrieben. Dem jeweiligen Wohnungseigentümer stehe ein Anspruch auf Berichtigung der Niederschrift nur zu, wenn der Inhalt der Niederschrift sein Persönlichkeitsrecht rechtswidrig beeinträchtige bzw. wenn die Niederschrift nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche. Das Persönlichkeitsrecht der Antragsteller sei nicht verletzt. Die Niederschrift entspreche auch ordnungsmäßiger Verwaltung, da die Antragsgegnerin den ihr zustehenden Ermessensspielraum nicht überschritten habe.
 
 Eine umfassende inhaltliche Wiedergabe der Äußerungen der Teilnehmer der Eigentümerversammlung, insbesondere auch des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats, könnten die Antragsteller nicht begehren, da es nicht Aufgabe der Niederschrift sei, sämtliche Diskussionsbeiträge wiederzugeben. Für die Protokollberichtigung zu den TOP 4 und 5 fehle den Antragstellern das Rechtsschutzbedürfnis schon deshalb, weil die insoweit gefassten Beschlüsse in der Eigentümerversammlung vom 7.11.2001 bestandkräftig aufgehoben worden seien und damit die beantragte Ergänzung keinerlei weitere Rechtswirkungen entfalten könne. Entsprechendes gelte für TOP 6, da die Zeitungshalterungen mittlerweile angebracht seien und es deshalb unerheblich sei, ob ein Antrag auf Erholung von Kostenangeboten gestellt worden sei. Zu TOP 9 fehle für eine begehrte Protokollberichtigung ebenfalls das Rechtsschutzbedürfnis. Für die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Beschluss zustande gekommen sei, komme es allein auf die Feststellung und Verkündung des Versammlungsleiters nach Abschluss der Abstimmung an, nicht aber auf die Wiedergabe der einzelnen Stimmen. Auf eine Vorlage sämtlicher Abstimmungsergebnisse hätten die Antragsteller keinen Anspruch, da der Antragsteller zu 1) Gelegenheit gehabt habe, in sämtliche schriftlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen.
 
 2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
 
 a) Auszugehen ist von dem Protokoll, das die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27.8.2001 an die Eigentümer versandt hat. Mit der Versendung an die Eigentümer hat dieses Protokoll das Entwurfsstadium verlassen und Außenwirkung erlangt. Den weiteren Protokollentwürfen kommt demgegenüber keine Bedeutung zu, da sie den Wohnungseigentümern nicht als maßgebliches Protokoll übersandt wurden, sondern lediglich als Grundlage für einen eventuellen Vergleich mit den Antragstellern gedient haben. Die Anträge der Antragsteller beinhalten deshalb, soweit sie sich auf die Niederschrift beziehen, eine Änderung bzw. Ergänzung des mit Schreiben vom 27.8.2001 von der Antragsgegnerin übersandten Protokolls.
 
 b) Der Senat vermag dem Landgericht nicht darin zu folgen, dass § 13 Nr. 6 GO den gleichen sachlichen Gehalt hat wie § 24 Abs. 6 WEG.
 
 Die Gemeinschaftsordnung ist im Grundbuch eingetragen und deshalb – auch vom Rechtsbeschwerdegericht – aus sich heraus objektiv und normativ auszulegen, wobei die für einen unbefangenen Leser nächstliegende Bedeutung maßgeblich ist (st. Rspr.; BGHZ 139, 288 ff.). Bei dieser Auslegung ist zu berücksichtigen, dass in vielen Teilungserklärungen überflüssigerweise der Gesetzeswortlaut diverser Vorschriften wiedergegeben wird. Wenn eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Formulierung gewählt wird, so spricht dies dafür, dass die Regelung auch einen abweichenden Inhalt haben soll. Ansonsten wäre nicht nur die Aufnahme der Bestimmung überflüssig, sondern auch die Abweichung vom Gesetzeswortlaut. § 13 Nr. 6 GO weicht in verschiedener Weise vom Gesetzeswortlaut ab. Er legt in Satz 1 zwingend die Führung des Vorsitzes in der Eigentümerversammlung durch den Verwalter fest, während § 24 Abs. 5 WEG anderweitige Beschlüsse der Versammlung zulässt. Abweichend vom Wortlaut des § 24 Abs. 6 Satz 1 WEG sind nicht nur die gefassten Beschlüsse in die Niederschrift aufzunehmen, sondern die Niederschrift ist auch über die Versammlung anzufertigen. Nicht festgelegt ist dagegen entgegen § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG, dass die Niederschrift auch von einem Wohnungseigentümer und falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, auch von dessen,Vorsitzenden oder seinem Vertreter zu unterschreiben ist. Angesichts dieser Abweichungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Regelung des § 13 Nr. 6 Satz 2 GO mit derjenigen des § 24 Abs. 6 WEG identisch ist.
 
 Der Umfang der Wiedergabe des Verlaufs der Versammlung ist jedoch in § 13 Nr. 6 Satz 2 GO nicht geregelt. Dem Verwalter als demjenigen, der die Niederschrift zu erstellen hat, steht deshalb bei der Abfassung des Protokolls ein billiges Ermessen i. S. d. § 315 BGB zu. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Verwalter nicht alle Diskussionsbeiträge und Berichte in das Protokoll aufnimmt. Ermessensfehlerhaft wäre es, wenn der Verwalter Diskussionsbeiträge nur einseitig zugunsten oder zulasten bestimmter Wohnungseigentümer wiedergeben würde. Das ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Da die Niederschrift auch über den Verlauf der Versammlung und nicht nur über die darin gefassten Beschlüsse Aufschluss geben muss, reicht es aber andererseits auch nicht aus, dass nur die gefassten Beschlüsse wiedergegeben werden. Das würde der Regelung, dass über die Versammlung und die gefassten Beschlüsse eine Niederschrift anzufertigen ist, ihre Eigenständigkeit nehmen. Zur Wiedergabe des Verlaufs der Versammlung gehört es aber zumindest, dass die formell gestellten Anträge, auch wenn darüber nicht abgestimmt wird, in das Protokoll aufgenommen werden, damit sich die nicht anwesenden Wohnungseigentümer ein Bild darüber machen können, was von den anwesenden Wohnungseigentümern in der Versammlung verlangt wurde. An sich selbstverständlich ist, dass die Niederschrift über eine Versammlung sowohl nach der gesetzlichen Regelung als auch nach der Gemeinschaftsordnung keine Unrichtigkeiten enthalten darf.
 
 Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Berichtigungsanspruch in jedem Fall einer Unrichtigkeit oder Auslassung besteht.
 
 c) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Antragsteller weder aus § 1004 BGB noch aus § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch darauf haben, dass bestimmte Äußerungen und Diskussionsbeiträge in das Protokoll aufgenommen werden. Dass die Antragsteller in ihren eigenen Persönlichkeitsrechten verletzt werden, hat das Landgericht zutreffend verneint. Aus dem Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung kann nicht abgeleitet werden, dass die von den Antragstellern begehrten Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden, da nicht ersichtlich ist, dass der Verwalter durch die Nichtaufnahme die Grenzen des billigen Ermessens nach § 315 BGB überschritten hat.
 
 d) Zu Recht hat das Landgericht jedoch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Protokollberichtigung zu TOP 4 und zu TOP 6 verneint.
 
 e) Zu TOP 9 ist das von der Antragsgegnerin an die Wohnungseigentümer versandte Protokoll richtig. Denn es enthält keine Stimmenthaltungen.
 
 f) Unbegründet ist der Antrag der Antragsteller auf Herausgabe der Unterlagen der Antragsgegnerin über die Eigentümerversammlung. Ein Wohnungseigentümer hat nur ein Recht auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen, aber kein Recht auf Herausgabe (BayObLG WE 1989, 145, 146). Den Mitgliedern des Verwaltungsbeirats räumt das Gesetz keine weitergehenden Rechte ein.
 
 g) Das Landgericht hat die übrigen Wohnungseigentümer entgegen § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 WEG nicht am Verfahren beteiligt. Der Senat hat diese Beteiligung nachgeholt. Einer Aufhebung und Zurückverweisung insgesamt bedurfte es deshalb nicht, da die Beteiligung lediglich der Gewährung rechtlichen Gehörs dient (vgl. BGH ZMR 1998, 171). Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von demjenigen, der dem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg vom 6.8.2003 (ZMR 2003, 868) zugrunde lag.
 
 3. Hinsichtlich des Geschäftswerts ist die Entscheidung des Landgerichts ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Senat erachtet im Hinblick auf die umfangreichen Einwendungen, die gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokolls erhoben wurden, den vom Landgericht festgesetzten Geschäftswert für angemessen. Für eine Anwendung des § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG besteht keine Veranlassung. Der festgesetzte Geschäftswert führt selbst dann nicht zu einer unangemessenen Kostenbelastung der Antragsteller, wenn ihnen auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens auferlegt werden. Dass die Antragsteller in diesem Verfahren ihrer Meinung nach in ihrer Funktion als Verwaltungsbeiräte tätig geworden sind, ist im Rahmen des § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG ohne Belang. Darüber hinaus gehört es weder zu den gesetzlichen Aufgaben noch zu den dem Verwaltungsbeirat nach der Gemeinschaftsordnung