Nachschaftsrecht: Kappen von Grenzbäumen/Hecken

 

 

 

Jahre altes Urteil des Winsener Amtsgerichts wird nachträglich als Gesetz festgeschrieben.

Von Andreas Schmidt

Winsen

Ein Urteil des Amtsgerichts Winsen vom 11. Juni 1999 (Aktenzeichen: 16 C 290/99) macht Furore. Hausbesitzer können nach dem Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz ab 1. Oktober 2006 darauf bestehen, dass Nachbarn ihre Bäume und Büsche am Gartenzaun jährlich kappen, damit sie nicht in den Himmel wachsen. Der Niedersächsische Landtag hat den Paragraphen 54, Absatz 2 entsprechend geändert.

Damit bezieht sich der Landtag explizit auf ein Urteil, das der Direktor des Amtsgerichts, Albert Paulisch, vor knapp sieben Jahren gefällt hat. Dort hieß es, dass ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn verlangen könne, dass durch "zukünftiges jährliches Kappen der Anpflanzung sie auf der Höhe gehalten wird, die sie zum Zeitpunkt der Klageerhebung hatte." Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 14. November 2003 die Rechtsauslegung des Amtsgerichts nicht geteilt und einen jährlichen Kappungsanspruch verneint.

Albert Paulisch freut sich derweil diebisch über das aktualisierte Niedersächsische Nachbarrechtsgesetz: "Ich will nicht verhehlen, dass es mir in meiner juristischen Laufbahn bisher nicht widerfahren ist, dass zwar das oberste deutsche Zivilgericht meine Rechtsauffassung als nicht mit der Rechtslage in Einklang befunden hat, dann aber der Gesetzgeber die Gesetzeslage so geändert hat, dass das zutrifft."

In Paragraph 50 schreibt das Gesetz unverändert die Grenzabstände fest, die Bäume und Sträucher abhängig von ihrer Höhe mindestens von der Nachbargrenze einzuhalten haben. Wenn die Pflanzen darüber hinaus wachsen, kann der Grundstückseigentümer darauf bestehen, dass der Nachbar auf die höchstzulässige Höhe zurückschneidet. Nach Paragraph 54 (2) war das Zurückschneiderecht jedoch ausgeschlossen, wenn die Pflanze bereits mehr als fünf Jahre die Maximalhöhe überschritten hatte.

Nach dem neuen Recht kann man in diesem Fall zwar nicht verlangen, dass der Baum auf die Maximalhöhe zurückgeschnitten wird. Aber man kann darauf bestehen, dass er nicht weiter in den Himmel wächst. Albert Paulisch: "Das gilt für Bäume, die 6,50 Meter hoch sind und einen Meter vom Gartenzaun entfernt stehen. Jetzt kann ich darauf bestehen, dass der Baum nicht noch höher wächst. Ist ein Baum aber ausgewachsen, sollte es keine Rolle spielen, ob er 25 Meter oder 25,1 Meter hoch ist."

erschienen am 4. April 2006