Fällt das wohnungsmietrechtliche Leistungsprinzip bei der Abrechnung der Betriebskosten?

Revolution bei der Betriebskostenabrechnung?
Fällt das wohnungsmietrechtliche Leistungsprinzip bei der Abrechnung der Betriebskosten?

BGH:
„Den Vorschriften der §§ 556 ff. BGB ist nicht zu entnehmen, dass das Bürgerliche
Gesetzbuch den Vermieter auf eine bestimmte zeitliche Zuordnung der
Betriebskosten festlegt. § 556 Abs. 3 S. 1, 2 und 3 BGB stehen einer Betriebskostenabrechnung
nach dem Abflussprinzip ebenfalls nicht entgegen.“
BGH, Urt. v. 20.2.2008 – VIII ZR 49/07

Der Fall:
Nach dem geschlossenen Wohnraummietvertrag entrichtet der Mieter M an den Vermieter V monatliche Vorauszahlungen auf die Betriebskosten gem. BetrKV, über die jährlich abzurechnen ist. Dabei wird der Kaltwasserverbrauch des M über Wasserzähler
ermittelt.

Der Mieter M erhält von seinem Vermieter V die Betriebskostenabrechnung für das abgelaufene Kalenderjahr und stellt fest, dass V die abzurechnenden Gesamtkosten des Wasserverbrauchs anhand der turnusmäßigen Abschlags- sowie Schlussrechnungen des Versorgungsunternehmens im Abrechnungsjahr ermittelt hat. Daraufhin beanstandet M die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung und verklagt den V, als dieser die Abrechnung nicht korrigiert, auf Rückzahlung anteiliger Vorauszahlungen auf die Kosten des Wasserverbrauchs.

Das Problem:
Nach der bislang als herrschend zu bezeichnenden Rechtsauffassung vieler Gerichte musste der Vermieter von Wohnraum über die vom Mieter gezahlten Betriebskostenvorschüsse nach dem sog. Leistungsprinzip abrechnen. Hiernach dürfen dem Mieter nur die Kosten in Rechnung gestellt werden, die für den Zeitraum angefallen sind, über den abgerechnet wird. Damit soll erreicht werden, dass der Mieter nur die Kosten bezahlt, für die er im Abrechnungszeitraum auch tatsächlich eine „Leistung“ in Anspruch genommen hat. Problematisch ist dabei, dass das Leistungsprinzip (auch: Verbrauchsprinzip) den Vermieter zu oftmals äußerst komplizierten und aufwändigen Rechnungsabgrenzungen zwingt. Dies insbesondere dann, wenn die Abrechnungsperioden z.B. des Versorgungsunternehmens vom mietrechtlichen Abrechnungszeitraum (i.d.R. das Kalenderjahr) abweichen, also der Vermieter Abschlags- und Schlussrechnungen im Abrechnungsjahr bezahlt, die Beträge enthalten, die auf vorangegangene bzw. folgende Abrechnungsperioden entfallen.

So muss der Vermieter in Anwendung des sog. Leistungsprinzips z.B. im Falle einer im Jahre 2008 bezahlten nicht kalenderjährlichen Schlussrechnung des Versorgungsunternehmens für die Kaltwasserversorgung diejenigen Teilbeträge herausrechnen, die anteilig auf den Verbrauch des Jahres 2007 entfallen. Entsprechendes gilt hiernach für die anteilig auf 2008 entfallenden Beträge, die in einer Ende 2007 vom Vermieter bezahlten Abschlagsrechnung enthalten sind.
 

Die Entscheidung des BGH:
Der BGH vertritt nun entgegen der bisherigen Rechtsmeinung die Auffassung, dass den Regelungen des Wohnraummietrechts zur Frage der Zahlung von Betriebskosten durch den Mieter (§§ 556 ff. BGB) nicht zu entnehmen sei, dass das sog. Leistungsprinzip zwingend anzuwenden sei. Vielmehr dürfe der Vermieter, der über die Betriebskostenvorauszahlungen seines Mieters abzurechnen habe, auch das sog. Abflussprinzip anwenden, wenn im Mietvertrag keine anderweitige Regelung getroffen wurde. Dies bedeutet, dass es dem Vermieter gestattet ist, in die abzurechnenden Gesamtkosten alle diejenigen Zahlungen aufzunehmen, die er im Abrechnungszeitraum effektiv an den Versorger geleistet hat (sog. Ausgabenprinzip), ungeachtet der Frage, ob diese Zahlungen (auch) anteilig den Verbrauch früherer oder späterer Abrechnungszeiträume betreffen.

Mein Kommentar:
Die Entscheidung des BGH ist sehr zu begrüßen, da sie endlich dem mietrechtlichen „Abrechnungsunwesen“ zumindest teilweise ein Ende bereiten könnte. Zutreffend hat der BGH darauf hingewiesen, dass die Abrechnung nach dem Abflussprinzip für den Mieter leichter verständlich und nachvollziehbar sei. Der Mieter muss beim Abflussprinzip nicht mehr komplizierte Abgrenzungsberechnungen prüfen, sondern kann sich an der Fälligkeit der nachgewiesenen tatsächlichen Zahlungen des Vermieters orientieren. Auch zwingt das Leistungsprinzip den Vermieter dazu, einen nicht mehr vertretbaren Aufwand bei der Abrechnung der Betriebskosten zu betreiben.

Auswirkungen auf die Praxis:
Ich rate an, in künftigen Mietverträgen eine ausdrückliche Regelung über die Anwendung des Abrechnungsprinzips zu treffen. Dies betrifft insbesondere die Vermietung von Wohnungseigentum, da im Rahmen der wohnungseigentumsrechtlichen Jahresabrechnung nach herrschender Rechtsmeinung ohnehin das sog. Abflussprinzip gilt. Auch stellt sich die Frage, ob nicht versucht werden sollte, bestehende Mietverhältnisse auch die jetzt zulässige Abrechnungsart umzustellen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass Regelungen der HeizkostenV eine ausdrückliche Regelung des Leistungsprinzips mit Gesetzesrang darstellen, die vorrangig zu beachten sind.

Der Wermutstropfen:
Allerdings besteht kein Grund für vorschnellen Jubel auf Vermieterseite! Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass der BGH sich in seiner aktuellen Entscheidung zu einem für die Praxis wesentlichen Problem nicht geäußert hat, da dies im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich war. Es handelt sich hierbei um das für das sog. Leistungsprinzip sprechende Argument des Mieterwechsels:
Wird nach dem Abflussprinzip abgerechnet und zieht der Mieter aus, so kann es infolge der dann fehlenden Kostenabgrenzung dazu kommen, dass der Nachmieter in der für ihn erstellten folgenden Abrechnung abgerechnet erhält, die auf den Mietzeitraum seines Vorgängers entfallen. Umgekehrt kann der Fall eintreten, dass der ausscheidende Mieter Beträge entrichtet, die auf den Mietzeitraum seines Nachfolgers entfallen. Wir nach dem Leistungsprinzip abgerechnet, also nach den Verbrauchszeiträumen abgegrenzt, tritt dieses Problem nicht auf. Der BGH hat hierzu sybillinisch geäußert, dass die Frage, ob der Vermieter im Falle des Mieterwechsels nicht z.B. nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gezwungen sei, in diesem Fall das Leistungsprinzip anzuwenden, nicht entschieden werden müsse, da das streitgegenständliche Mietverhältnis über die umstritten Abrechnungszeiträume
hinaus bestand, sich die Frage der Behandlung des Mieterwechsels also nicht stelle. Es bleibt also spannend!

Rüdiger Fritsch
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
www.krall-kalkum.de